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Politik und Medien Politik und Medien: Heide Simonis verliert gegen «Bild»

24.06.2008, 16:03
Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) schaut am Donnerstag (17. März 2005) im Landtag in Kiel nach dem vierten Wahlgang in den Plenarsaal. (Foto: dpa)
Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) schaut am Donnerstag (17. März 2005) im Landtag in Kiel nach dem vierten Wahlgang in den Plenarsaal. (Foto: dpa) dpa

Karlsruhe/dpa. - An den am 27. April 2005 - dem Tag der Wahl ihres Nachfolgers- aufgenommenen Bildern von Simonis in einem Kieler Einkaufszentrum bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag.

Die Information darüber, wie sich eine Regierungs-Chefinunmittelbar nach ihrem spektakulären Amtsverlust präsentiere, habe einen Bezug zur politischen Debatte. «Wir sind der Auffassung, dass sich ein Politiker in einer solchen Situation auch unter Berufung auf sein Persönlichkeitsrecht nicht ohne weiteres der Berichterstattung entziehen kann», sagte BGH-Vizepräsidentin Gerda Müller in Karlsruhe (Az: VI ZR 156/06 vom 24. Juni 2008).

«Das muss ich hinnehmen», sagte Simonis der Deutschen Presse-Agentur dpa in Kiel. «Ich bin halt nicht die Prinzessin Caroline.» Simonis hatte sechs Wochen nach dem überraschenden Scheitern ihrer Wiederwahl - sie hatte in vier Wahlgängen verloren, weil ihr in den eigenen Reihen eine Stimme fehlte - ihr Amt an ihren Nachfolger Peter Harry Carstensen (CDU) abgeben müssen. Unmittelbar nach der Abstimmung fuhr sie ins Einkaufszentrum «Sophienhof» - verfolgt vonFotografen der «Bild»-Zeitung. Tags darauf wurden die Bilder unterder Überschrift «Danach ging Heide erst mal schoppen» veröffentlicht.Auch am Folgetag warteten Reporter vor ihrem Wohnhaus.

Simonis sah ihr Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangte, dassdie Bilder nicht weiterverbreitet werden dürfen. Außerdem fordertesie Auskunft darüber, welche Fotos vom Folgetag sich noch im «Bild»-Archiv befinden - mit dem Ziel, das Blatt zur Herausgabe zu zwingen.

Nach der Entscheidung des BGH bestand sowohl am Tag der Abwahl alsauch am Folgetag ein derart großes Interesse der Öffentlichkeit ander Kieler Regierungschefin, dass ihr Persönlichkeitsrecht hinter derPressefreiheit zurückstehen müsse. Selbst nach der Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der 2004 eine Stärkungdes Persönlichkeitsschutzes in Deutschland angemahnt hatte, bestehean Politikern ein «gesteigertes Informationsinteresse», sagte Müller.Das gelte gerade auch im unmittelbaren Anschluss an das Ausscheidenaus dem Amt.

Auch einen Anspruch auf Herausgabe unveröffentlichter Bilderlehnte der BGH ab. Dies wäre ein schwerer Eingriff in das Recht derPresse, ein Archiv zu unterhalten, befand das Gericht, das erstmalsüber diese Frage zu entscheiden hatte. Ein solcher Anspruch kommeallenfalls dann in Betracht, wenn die Veröffentlichung von Fotosunter keinen Umständen zulässig sein könnte - etwa, weil dieIntimsphäre verletzt sei oder die Bilder rechtswidrig beschafftworden seien.

Simonis' Anwalt Joachim Kummer hatte in der Verhandlung dasVorgehen der Fotografen kritisiert. Simonis sei «observiert» undbedrängt worden. Dieses Verhalten sei «skandalös» und nicht durch dieKontrollfunktion der Medien gerechtfertigt. «Die Presse soll derWachhund sein, sie soll nicht der Jagdhund sein.»

«Bild»-Anwalt Thomas von Plehwe erinnerte daran, dass der27. April 2005 der Schlusspunkt einer schweren Niederlage von Simonisgewesen sei. Zudem habe sie sich mehrfach mit ihren privatenKonsumgewohnheiten - etwa dem Besuch von Flohmärkten oder dem Sammelnvon Tassen - in der Presse präsentiert.