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Österreich Österreich: Alle 16 Angeklagten im Kaprun-Prozess freigesprochen

19.02.2004, 09:32
Kaprun - Die Brandkatastrophe am 11. November 2000 (Grafik: dpa)
Kaprun - Die Brandkatastrophe am 11. November 2000 (Grafik: dpa) dpa

Salzburg/dpa. - Das Brandinferno in der Gletscherbahn von Kaprun mit 155 Toten bleibt vorläufig ungesühnt. Mehr als drei Jahre nach dem Unglück in dem österreichischen Wintersportort wurden am Donnerstag in Salzburg alle 16 Angeklagten freigesprochen. Sie könnten nicht für das Unglück verantwortlich gemacht werden, begründete Richter Manfred Seiss das Urteil.

Hinterbliebene der Opfer reagierten mit Empörung und lautstarkem Protest auf das Urteil. Die Staatsanwaltschaft kündigte Berufung gegen die Freisprüche an. Bei dem Feuer waren am 11. November 2000 auch 37 deutsche Wintersportler ums Leben gekommen.

Das Verfahren habe bewiesen, dass die Angeklagten keine unmittelbare Schuld an dem Unglück treffe, sagte der Einzelrichter. Der Brand, der innerhalb nur weniger Sekunden vom Führerhaus auf die Fahrgastkabine übergeschlagen war, sei auf einen Produktionsfehler bei einem Heizstrahler in der Bahn zurückzuführen.

Durch den Fehler habe sich dieser aus der Verankerung gelöst. Der Heizstab sei mit der hölzernen Rückwand der Fahrerkabine in Berührung gekommen, die sich schließlich entzündet habe, schilderte der Richter den Unfallhergang in seiner vierstündigen Urteilsbegründung. Durch die Hitze seien Hydrauliköl-Leitungen geplatzt. Dadurch habe sich der Brand explosionsartig verbreiten können.

Nach den Worten des Richters gab es jedoch keine Vorschrift, die den Einbau dieser Heizung verboten hätte. Alle verwendeten Materialen und Sicherheitseinrichtungen hätten dem damaligen Stand der Technik entsprochen. Seiss räumte ein, dass er im Rahmen des österreichischen Strafrechtes habe entscheiden müssen, das die Verurteilungen von Firmen ausschließe. Wegen des Urteils wird in Kürze der Justizausschuss des Parlaments in Wien zusammentreten. Dabei soll auch über eine mögliche Änderung des österreichischen Strafrechts beraten werden.

Der Freispruch stieß bei den Angehörigen der Opfer auf völliges Unverständnis. «Ich geniere mich für mein Land», sagte eine Frau aus Wien, die ihren Sohn in dem Inferno in der Stollenbahn am Kitzsteinhorn verloren hatte. «Das Urteil ist ein Hohn», sagte eine Mutter aus Oberbayern, deren 14-jähriger Sohn zu den Todesopfern zählt.

Noch während der Urteilsverkündung verließen Hinterbliebene unter lautstarkem Protest den Sitzungssaal. Eine Frau aus Japan brach vor dem Gerichtssaal zusammen. Die Betreiber der Gletscherbahn begrüßten das Urteil dagegen ebenso wie Österreichs Verkehrsminister Hubert Gorbach. Der österreichische Strafrechtsexperte Christian Bertel verteidigte den Richterspruch. Bei allem Verständnis für die Hinterbliebenen, «es kann nicht so sein, dass bei jedem Unglück - auch mit 155 Toten - unbedingt jemand eingesperrt werden muss».

Der Prozess, der mehr als 60 Verhandlungstage dauerte, hatte im Juni 2002 begonnen. Den 16 angeklagten Mitarbeitern der Gletscherbahnen, Beamten des für Seilbahnen zuständigen Verkehrsministeriums sowie Vertretern der Prüfstellen und Angestellten der Liefer- und Konstruktionsfirmen wurden unter anderem «fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst» zur Last gelegt. In ihrem Schlussplädoyer hatte die Staatsanwaltschaft nur bei einem der Angeklagten auf einen Strafantrag verzichtet.

Den Angehörigen bleibt jetzt zunächst nur eine Zivilklage gegen die Betreiber der Bahn und Firmen, die am Bau der Bahn beteiligt waren. In New York wurde inzwischen eine Sammelklage von mehr als 100 Angehörigen eingebracht, die sich gegen insgesamt 7 Firmen aus den USA und Europa richtet. Die Schadenersatzforderungen belaufen sich auf mehrere 100 Millionen US-Dollar.