Kinder Kinder: Siamesisches Zwillingspaar aus Lemgo wird getrennt

Baltimore/Lemgo/dpa. - Die deutschen siamesischen Zwillinge Leaund Tabea werden an diesem Wochenende von einem US-Chirurgenteamgetrennt. Der Eingriff wird voraussichtlich zwischen 24 Stunden unddrei Tagen dauern. Die am Kopf zusammengewachsenen Babys solltenbereits am Freitagmittag (Ortszeit) in der Klinik der Johns HopkinsUniversität in Baltimore bei Washington in Narkose gelegt werden,berichtete das Magazin «Stern» in seiner jüngsten Ausgabe.
Klinikangaben zufolge sollte die Operation am Samstagmorgen um7.00 Uhr Ortszeit (13.00 Uhr deutscher Zeit) beginnen. «Stern» und«Stern TV» haben einen Exklusivvertrag über die Berichterstattung mitden Eltern der einjährigen Zwillinge aus dem ostwestfälischen Lemgoabgeschlossen.
Sozusagen «im Schichtdienst» werden mehr als 50 Ärzte und Helferum den Chirurgen Benjamin Carson versuchen, die Schädelknochen derMädchen zu trennen. Die Gehirne selbst seien nicht miteinanderverwachsen, berichtete der «Stern». Lea und Tabea teilen sich jedocheine gemeinsame äußere Hirnhaut mit einem gemeinsamen Gefäßnetz. DieTrennung und Aufteilung dieser Bluträume sei der schwierigste Teildes Eingriffes. Deutsche Ärzte nehmen ersten Planungen entgegen nichtan dem bevorstehenden Eingriff teil. Als Gründe nannte der betreuendeBielefelder Chirurg Falk Oppel Termin- und Versicherungsprobleme.
Der Amerikaner Carson gilt als einer der weltweit erfahrenstenChirurgen bei der Trennung siamesischer Zwillinge. Er war auch an dermissglückten Trennung der 29-jährigen Schwestern aus dem Iranbeteiligt, die ebenfalls am Kopf zusammengewachsen waren. Die beidenFrauen starben bei der Operation im Juli vergangenen Jahres inSingapur.
Zuletzt waren am Kopf verbundene Zwillinge in diesem Jahr am NewYorker Montefiore Krankenhaus getrennt worden. Die zweijährigenphilippinischen Jungen, Carl und Clarence Aguirre, überstanden dieOperation nach bisheriger Erkenntnis ohne neurologischen undgeistigen Schaden. Die Trennung ihrer gemeinsamen Schädeldecke undBlutgefäße im Hirn war in vier Operationen über einen Zeitraum vonzehn Monaten erfolgt.
Statistisch gesehen kommt je nach Angaben bei einer von 100 000bis 200 000 Geburten ein Siamesisches Zwillingspaar zur Welt. Auf10 Millionen Geburten komme ein an der Schädeldeckezusammengewachsenes Paar, berichteten die Chirurgen der MontefioreKlinik. 78 Prozent der am Schädel verbundenen Zwillinge sterben vorihrem ersten Geburtstag, 90 Prozent erleben ihr 10. Lebensjahr nicht.
Schon 1505 wurde nach Angaben der New Yorker Klinik die ersteTrennung von siamesischen Zwillingen am Kopf vorgenommen - beideKinder starben. 1953 überlebte erstmals ein Zwilling den riskantenEingriff, beide Zwillinge überstanden erstmalig 1957 die Trennungihrer Köpfe. Insgesamt wurden «Stern» zufolge bislang 60 Kinder,deren Köpfe zusammengewachsen waren, versucht zu trennen. 30 vonihnen starben während des Eingriffes, 17 waren anschließendbehindert.
Der Exklusivvertrag mit «Stern» und «Stern TV» wird weitgehendauch von der Universitätsklinik eingehalten. Auf Wunsch der Elterngibt die Klinik im Vorfeld der lebensgefährlichen Operation keineAuskünfte. Eine Pressekonferenz wird am Montagabend (MESZ)stattfinden.