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Indianerskalp in Radebeul Indianerskalp in Radebeul: Häuptling Merkel muss ran

Von Bernhard Honnigfort 20.03.2014, 07:36
Der umstrittene Skalp der Ojibwa-Indianer in Radebeul.
Der umstrittene Skalp der Ojibwa-Indianer in Radebeul. dpa Lizenz

Berlin - Eindeutige Rauchzeichen aus Radebeul: Der Zank um einen alten Skalp im Radebeuler Karl-May-Museum geht weiter. „Wir geben nichts zurück“, sagt Direktorin Claudia Kaulfuß dieser Zeitung. „Und auf die Schnelle schon gar nicht.“ 

Am Mittwoch war dort ein Brief eingetroffen: Nordamerikanische Ojibwa-Indianer fordern darin den Haarschopf eines Vorfahren zurück der seit mehr als achtzig Jahren Teil einer Sammlung von Skalps des Museums bei Dresden ist.

Den Indianern ist die Sache bitterernst: „Diese taktlose Ausstellung stellt einen weiteren Angriff auf unser Volk dar“, schreiben sie. Die Geschichte lasse sich zwar nicht zurückdrehen, aber das Museum habe die Objekte zu entfernen. Die Angelegenheit hat mächtig Wellen geschlagen, sogar der Londoner Guardian berichtete schon über den Skalp-Streit.

Aber in Radebeul denkt man überhaupt nicht an Rückgabe. Das Kriegsbeil ist ausgegraben. Eine Entscheidung über den Verbleib des Skalps hätten andere zu fällen, sagt Direktorin Kaulfuß und schiebt den Fall nach Berlin in den Wigwam von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Das müssen die deutsche und die amerikanische Regierung ausmachen, nicht wir in Radebeul.“

Für drei Flaschen Whiskey und eine Flasche Brandy erworben

Die Radebeuler beharren darauf, den Skalp rechtmäßig zu besitzen. Soll sich doch das Auswärtige Amt einschalten und vermitteln. Der in Wien geborene Künstler Frank Patty alias Eisenarm alias Isto Maza, eigentlich hieß er mit richtigem Namen Ernst Tobis, aus dessen Sammlung 1928 das Radebeuler Museum hervorging, habe das Haarteil 1904 dem Stamm abgekauft - für 1100 Dollar, zwei Flaschen Whiskey und eine Flasche Brandy.

Patty, ein Artist und leidenschaftlicher Sammler, war damals durch die Vereinigten Staaten gereist und hatte unzählige Stücke indianischen Kulturguts mit nach Europa gebracht. Er wurde der erste Museumsdirektor in Radebeul. Der Skalp der Ojibwa, heißt es dort, sei so etwas wie eine Blaue Mauritius für ihn gewesen.

Karl May war Hochstapler

Ob das alles überhaupt so stimmt, ob der Skalp wirklich ein Ojibwa-Skalp ist, ob der heutige Stamm tatsächlich Ansprüche anmelden kann, ob das Museum ihn besitzen darf, das alles müsste geklärt werden. Schließlich – und das nur am Rande - handelt es sich um das Museum von Karl May, der nicht nur ein überaus erfolgreicher Schriftsteller war, sondern auch ein Dieb und Hochstapler mit Gefängniserfahrung.

In Radebeul ist schon von Gen-Tests die Rede, die gemacht werden müssten, um derartige Forderungen zu untermauern. Man fürchtet weitere Ansprüche und damit das Ende des kleinen Museums, das seit Jahren unter einem dramatischen Besucherschwund leidet, vermutlich weil kaum noch jemand Karl May liest: „Dann können wir nämlich alles hier ausräumen“, meint ein Mitarbeiter.

Skalps gebe es überall im Museum, auf Rahmen gespannt, in Hemden eingenäht. Sie seien Teil der indianischen Kultur gewesen und am Körper getragen worden so wie man sich in Europa Orden anheftete.

Direktorin Kaulfuß wird dem Stamm nächste Woche einen Brief schreiben, der wird ins Englische übersetzt und verschickt. Und dann, heißt es in Radebeul, wartet man ab, was noch so alles passiert.