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Hobby Hobby: Schwere Zeit: Thüringer sammelt mechanische Turmuhren

27.10.2005, 06:11
Der Turmuhren-Sammler Bernd Roth bewegt in Rieth bei Hildburghausen die Zeiger einer Turmuhr aus Hofheim in Unterfranken. (Foto: dpa)
Der Turmuhren-Sammler Bernd Roth bewegt in Rieth bei Hildburghausen die Zeiger einer Turmuhr aus Hofheim in Unterfranken. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Rieth/dpa. - Seine alten «Schätzchen» laufen meist nur noch einmal in der Woche für ein paar Stunden, und Zifferblätter haben die meisten auch nicht mehr.

Sammler Roth fasziniert weniger die genaue Zeitanzeige der bis zuneun Zentner schweren Uhren als vielmehr die Handwerkskunst und derperfekte Lauf der kleinen und großen Zahnräder. «Die ganz alten Uhrensind komplett von Hand gefertigt - die haben dann noch nicht malrichtige Muttern», erzählt der Experte.

Sein ältestes Stück dürfte gut 400 Jahre alt sein. Die Spindeluhrstammt aus dem Raum Meiningen. In welchem Turm das zwei Koffer großeWerk einst die Zeiger antrieb, lasse sich leider nicht mehrnachvollziehen. Bei vielen seiner Uhren kennt Roth die genaueHerkunft nicht mehr. «Die wurden ausgebaut, standen herum,verstaubten und rosteten. Irgendwann sind sie dann zu mir gekommen.»Er hat sie liebevoll restauriert und - möglichst originalgetreu - inStand gesetzt. Im unterfränkischen Hofheim fand er noch einmannshohes Zifferblatt, das seither das Domizil seiner Sammlungziert.

Das Interesse von Roth gilt vor allem Turmuhren aus der Region.«Dazu hat man einen konkreteren Bezug», sagt er. BedeutendeHersteller von mechanischen Turmuhren waren die Firma Saam in Themar(Kreis Hildburghausen) oder die Firma Kühn in Gräfenroda (Ilm-Kreis).Von beiden besitzt Roth Exemplare. Seine Uhren liefen in Türmen vonKirchen, Rathäusern oder Schulen mit meist vier Zifferblättern rund28 Stunden lang. Sie mussten so jeden Tag einmal aufgezogen werden.Heute zieht der Baufacharbeiter seine Uhren einmal in der Woche -meistens sonntags vor dem Kegeln - auf. Oft hilft EnkeltochterEmilie. Zum Abschluss darf die Anderthalbjährige dann auch mal an derSchnur ziehen, mit der sie einen Glockenschlag auslöst, den ihr Opaan der Decke aufgehängt hat.

Roths Interesse für Turmuhren wurde durch seinen Vater geweckt,der über Jahre die Uhr im Riether Kirchturm aufzog und pflegte. «Dabin ich häufig mit hin und habe dem Vater geholfen», erinnert ersich. Später begann er Pendeluhren zu sammeln. 1981 kam er in Themaran seine erste Turmuhr. «Dann fing es richtig an zu ticken.» Nach derWende schloss er sich der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie an,dort fand er Gleichgesinnte.

Das jüngste Exemplar in Roths Turmuhren-Sammlung stammt vom Beginnder 1940er-Jahre. «Da war die Zeit der mechanischen Werke eigentlichschon lange vorbei.» Elektrische Uhren hielten schon kurz nach derJahrhundertwende Einzug in die Türme. «Heute sind das allesFunkuhren», sagt Roth. «Da tickt nichts. Da ist nichts Lebendigesmehr.»