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Gesellschaft Gesellschaft: «Voll ist out» an Karneval

Von Christiane Jacke 12.02.2007, 09:55
Die Sozialarbeiterinnen Reinhild Austrup (im Spiegel l.) und Britta Lütke-Wenning (r) posieren am Mittwoch (07.02.2007) in einer Bar in Münster mit Jacken und Mützen ihrer Präventionsinitiative «voll ist out», um Jugendliche vor dem Alkoholabsturz im Karneval zu bewahren. (Foto: dpa)
Die Sozialarbeiterinnen Reinhild Austrup (im Spiegel l.) und Britta Lütke-Wenning (r) posieren am Mittwoch (07.02.2007) in einer Bar in Münster mit Jacken und Mützen ihrer Präventionsinitiative «voll ist out», um Jugendliche vor dem Alkoholabsturz im Karneval zu bewahren. (Foto: dpa) dpa

Münster/dpa. - Diagnose: Alkoholvergiftung. UmJugendliche vor dem Alkoholabsturz im Karnevalsgetümmel zu bewahren,tourt eine Präventionsinitiative aus Münster schon vor den großenStraßenumzügen durch die Kneipen. Ihre Botschaft: «Voll ist out».

Die Mitarbeiter der Initiative ziehen von Bar zu Bar, sprechenjunge Leute bis Mitte 20 an und versuchen, mehr über derenTrinkgewohnheiten zu erfahren. 3000 Fragebögen wollen sie in zweiWochen verteilen. Die Fragen: Wann hast du zum ersten Mal getrunken?Hattest du schon mal einen Vollrausch? Warum trinkst du Alkohol?

Die beiden Sozialarbeiterinnen Britta Lütke-Wenning und ReinhildAustrup sind an diesem Abend als Team unterwegs. Als Spaßbremsenwollen sie nicht rüberkommen, sagen sie. Die Fragebögen sollen denJugendlichen nicht den Abend verderben, sondern sie nur ein bisschenzum Denken anstoßen, erklärt die 31-jährige Lütke-Wenning. «Wirstellen erschreckend oft fest, dass viele vorher überhaupt nicht überihren Alkoholkonsum nachgedacht haben.»

In den ersten Kneipen haben es die beiden leicht. Hier schlürfendie jungen Leute gemütlich an ihren Cocktails, füllen die Fragebögenbereitwillig aus und lassen sich gerne in ein Gespräch verwickeln.«Die Aktion ist doch unterstützenswert», meint der 18-jährigeMatthias. «Wenn man so Leute im Bekanntenkreis sieht, die sich jedesWochenende die Birne wegknallen, kommt man schon zum Nachdenken.» Einanderer erzählt, er habe vor zwei Jahren ganz mit dem Trinkenaufgehört ­ nach einem schweren Autounfall in betrunkenem Zustand.

Ein paar Kneipen weiter ist die Situation eine andere: In derüberfüllten Kult-Kneipe «Destille» drängen sich hunderte feiernde undgrölende junge Leute. Die Musik dröhnt, Alkohol gibt es zumSpottpreis und Cola oder Wasser trinkt niemand. Mit ihren «Voll istout»-Käppis wirken Lütke-Wenning und Austrup ein wenig auf verlorenemPosten: «Voll» scheint hier eher in zu sein.

«Filmriss ist bei mir Standard», sagt der 24-jährige Michael,während er am Tresen einen Bogen ausfüllt. Ein Alkoholproblem habe eraber nicht, meint er. «Das hat jemand, der jeden Abend zwei, dreiBier trinkt und auch jedes Wochenende voll ist.» Die Einschätzungteilen viele junge Leute an diesem Abend. Einen Vollrausch haben diemeisten trotzdem schon gehabt - «in der Probierphase, mit 13, 14».

Bundesweit geben 34 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen an, schonmal einen Alkoholrausch erlebt zu haben. Das hat die Bundeszentralefür gesundheitliche Aufklärung zuletzt 2005 erhoben. Die Behördemacht alle drei bis vier Jahre repräsentative Studien zu denTrinkgewohnheiten von jungen Menschen zwischen zwölf und 25. In denvergangenen Jahren sei der Alkoholkonsum in dieser Altersgruppekontinuierlich zurückgegangen, sagt Behördensprecherin Marita Völker-Albert. Die Konsummuster hätten sich allerdings gewandelt. «Es gibtzwei Gruppen von Jugendlichen: die einen, die sehr verantwortungsvollmit Alkohol umgehen, und die anderen, die regelmäßig so genanntesKomasaufen betreiben.»

Vor drei Jahren hat die Fachstelle für Suchtvorbeugung der StadtMünster. die Initiative «Voll ist out» ins Leben gerufen. Seitdemorganisieren die Mitarbeiter Informationsabende für Eltern und Lehreroder alkoholfreie Cocktailpartys für Jugendliche, gehen inJugendeinrichtungen, um über Alkohol zu diskutieren, oder sprechenmit Händlern und Gastronomen über den Jugendschutz. «Wir wollenJugendliche einfach zu verantwortungsbewusstem Umgang mit Alkoholanregen», erklärt die Sozialpädagogin Astrid Eikel. «Wir verteufelnAlkohol nicht. Das funktioniert auch gar nicht in unsererGesellschaft», meint sie. An Rosenmontag wollen es die Teams deshalberst gar nicht mit den Fragebögen versuchen, sondern nur Erste-Hilfe-Karten verteilen ­ mit Tipps gegen den Kater.