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Frankreich Frankreich: Doppelleben eines Diebes

Von HANS-HERMANN NIKOLEI 09.11.2009, 20:05

PARIS/DPA. - In knapp zwei Tagen hatten die Fahnder 9,1 Millionen der 11,6 Millionen Euro aufgespürt, die der 39-Jährige Geldtransporteur Toni M. aus seinem gepanzerten Transporter geklaut hatte. Jetzt versucht die Polizei, Licht in das perfekt organisierte Doppelleben des Millionendiebes zu bringen.

Die Nachbarn getäuscht

Zehn Jahre lang hatte Toni M. Nachbarn und Kollegen getäuscht. Er fuhr mit dem Fahrrad zur Arbeit und klagte über seinen Hungerlohn. Als er noch verheiratet war, sprang er ab und zu für seine Frau an der Bar eines Cafés im südostfranzösischen Villeurbanne ein. In seinem Wohnviertel in Lyon fuhr er in einem alten Peugeot 406 herum. Mehr war nicht drin bei den 1 700 Euro Gehalt. Er sei bescheiden, sagt seine Ex-Frau. Zuletzt wohnte M. in einem ärmlichen Haus. Was jedoch keiner wusste: Er besaß auch einen Ferrari und auf einem Dutzend Bankkonten lagen 100 000 Euro bereit. Denn in seinem zweiten Leben war Toni Unternehmer. Er dealte mit Luxusautos und war Miteigner einer Immobiliengesellschaft. Doch diese Geschäfte machte Toni am anderen Ende von Frankreich, zumeist per Internet und Telefon. Schließlich meldete er den Ferrari als gestohlen und plante seinen großen Coup: den ersten Diebstahl eines Geldtransporters durch seinen Fahrer in Frankreich. Vergangene Woche räumte der Franzose mit serbischen Wurzeln seine Konten, säuberte seine Wohnung von allen Spuren und verschwand mit den ihm anvertrauten Millionen.

Die Tat hätte so eigentlich gar nicht möglich sein dürfen. Nach den Regeln der Transportgesellschaft darf ein Fahrer nie alleine mit dem Schlüssel für den Laderaum im Transporter bleiben. Außerdem dürfen maximal sieben Millionen Euro geladen werden. Und es war verboten, bei einem Geldtransport von der Zentralbank zur Zentrale bei Kunden zu halten.

Doch Toni hatte die Schlüssel, im Laderaum waren 11,6 Millionen Euro und seine beiden Kollegen stiegen unterwegs aus, um Formulare bei einer Bank auszufüllen. Toni hatte dafür gesorgt, dass ihm zwei Neulinge zugeteilt waren. Das scheinbar perfekte Verbrechen stieß bei vielen Franzosen auf Bewunderung. "Genial und ohne Gewalt, Hut ab", schreibt ein Fan in einem Internetforum. "Hast Du einen Platz in Deinem Transporter?", fragt ein anderer. Auf Facebook schrieben sich zahlreiche "Freunde" auf der Seite "Tony M.., er ist geflohen, er hat alles begriffen" ein. Geschäftemacher boten Hemden mit Tony-Konterfei und der Aufschrift "Bester Fahrer 2009" an.

Nur drei Jahre Haft drohen

Doch der Hype ist erst mal vorbei. Ohne das "ganz große Geld" wird es Toni M. schwerer haben, sich im Ausland zur Ruhe zu setzen. Und die Fahnder arbeiten bisher erfolgreicher als erwartet. Falls er gefasst wird, riskiert Toni indes nicht allzu viel. Weil er keine Gewalt angewendet hat, drohen ihm maximal drei Jahre Haft wegen schweren Diebstahls. Allerdings könnte "der Staat von ihm Rechenschaft für seinen Lebenswandel abverlangen", sagte ein Polizeifunktionär. Und dabei könnte noch einiges zutage treten.