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Extra Extra: Der Weg des Todesschützen

25.06.2002, 15:32

Erfurt/dpa. - Das Schulmassaker von Erfurt war eine Sache von zehn Minuten. Der vorläufige Abschlussbericht zeigt detailliert diegrausame Tat: 26. April, 10.45 Uhr: Der 19-jährige Robert Steinhäuserbetritt mit Rucksack und einer Sporttasche das Gutenberg-Gymnasium.In einer Toilette verwandelt er sich in einen maskierten Kämpfer.Gegen 10.58 Uhr beginnt er seinen «Rachefeldzug» im Sekretariat derSchule und erschießt die stellvertretende Schulleiterin und eineSekretärin. Im ersten Stock bringt er einen Lehrer um, der mit demRücken zu ihm stand, und zwei weitere Pädagogen. 11.04 Uhr: Der ersteHinweis geht über Notruf bei der Polizei Erfurt ein.

Im zweiten Stock lädt der Ex-Schüler seine Pistole nach undschießt auf eine Lehrerin. Danach geht er in einen Klassenraum undfeuert mehrere Schüsse auf eine weitere Pädagogin ab. Eine weitereLehrerin erkennt er vermutlich nicht. Auf seinem Weg über die dritteEtage wieder zurück zur zweiten erschießt er vier weitere Lehrkräfte.Durch eine verschlosse Tür feuert Steinhäuser wahllos und trifftseine beiden jüngsten Opfer. «Der Schüler war sofort tot, dieSchülerin hat nur noch kurze Zeit gelebt», sagt ThüringensInnenminister Christian Köckert (CDU).

Die ersten Beamten treffen um 11.09 Uhr ein. Auf dem Schulhofschießt Steinhäuser auf eine Lehrerin. Er bemerkt einen Polizisten,feuert, trifft aber nicht. Der Täter lädt erneut nach und feuert voneinem Fenster vom Treppenaufgang aus auf den zweiten Polizisten, dergerade eine Schutzweste anzieht und getötet wird. Um 11.11 Uhr werdenSpezialeinsatzkräfte angefordert. Eine Notärztin und einRettungssanitäter kommen, können aber nicht mehr helfen. Gegen 11.20Uhr berichtet Lehrer Rainer Heise, dass er Steinhäuser einschlossenhat. Kurz darauf übernimmt der Leiter der Polizeidirektion Erfurt dieEinsatzleitung. Die Durchsuchung der Schule beginnt um 12.03 Uhr.Gegen 13.00 Uhr finden die Einsatzkräfte den toten Amokschützen.

Nach Einschätzung von Experten hätte der Einsatz schnellerablaufen können. «Da muss man nicht warten, bis die ganze Truppe daist», sagt der Vizechef des Vereins «Polizeitrainer in Deutschland»,Bernd Pokojewski. Die Polizistengruppe müsse den klarenAuftrag erhalten, den Täter so schnell wie möglich aufzuspüren undunschädlich zu machen. Dazu sei es nicht notwendig, systematisch dieStockwerke von unten nach oben zu durchkämmen. Das taten dieEinsatzkräfte in Erfurt. Köckert verteidigt das Vorgehen.

«Die einsatztaktische Entscheidung war vor allem auf Grund derVermutung gewählt worden, dass zwei Täter da sind», sagt Köckert. Einweiterer Grund für die Vorsicht war das Jugendstilgebäude selbst: Essei verschachtelt und undurchsichtig für jemanden, der es noch nichtgesehen habe, sagt Köckert. Kleine Gruppen könnten nur ins Gebäude,wenn Klarheit über die Verhältnisse herrscht. Die Durchsuchung war um14.37 Uhr beendet, die Evakuierung um 15.34 Uhr. Thüringen will denPolizeieinsatz zum Thema in der Innenministerkonferenz machen. Dortsoll über die Bluttat und andere Gewalttaten der vergangenen Jahregesprochen werden, «um gegebenenfalls ein verbessertes Vorgehen zuermöglichen».