1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Eisige Umklammerung: Eisige Umklammerung: Tausende in Polen und Tschechien eingeschneit

Eisige Umklammerung Eisige Umklammerung: Tausende in Polen und Tschechien eingeschneit

Von Eva Krafczyk und Wolfgang Jung 04.01.2002, 17:19
Schneefräsen im Riesengebirge
Schneefräsen im Riesengebirge CTK

Warschau/Prag/dpa. - Zdzislaw Siewierski sah keine Möglichkeitals den Ruf nach der Armee. Der Regierungschef des südostpolnischenGebietes Podkarpatien sorgt sich um Hunderte von Dörfern, die seitTagen von der Außenwelt abgeschnitten sind. Rettungsfahrzeuge undÄrzte kommen ebenso wenig in die Ortschaften wieLebensmittellieferungen.

Doch nicht nur in den entlegenen Ortschaften der Karpaten, auch inanderen Teilen Polens war am Freitag erneut kein Durchkommen. «Esgibt kein Brot, die Geschäfte sind leer, und wir müssen die Milchwegschütten, weil wir sie nicht in die Molkereien bringen können»,klagte eine Bäuerin aus einem eingeschneiten Dorf in Nordostpolen.Hunderte Häftlinge aus polnischen Gefängnissen wurden landesweit zumSchneeschippen beordert.

Dennoch sah Innenminister Krzysztof Janik, der Leiter desNationalen Krisenstabs, am Freitag Licht am Ende des eisigen Tunnels.«Die Lage ist beherrschbar», versicherte er nach einerKrisenkonferenz mit den «Wojwoden», den Regierungschefs der elfbesonders betroffenen Regionen. Auch von einem Versorgungsnotstandkönne derzeit nicht die Rede sein.

Tatsächlich waren die Hauptstraßen Polens am Freitag wiederbefahrbar. Räumfahrzeuge der Straßenwacht, unterstützt von Feuerwehrund Armee, hatten tagelang rund um die Uhr ganze Arbeit geleistet.Auf den Landstraßen dagegen dauerte der Kampf an der Schneefront an.Allein im nordostpolnischen Podlasien waren die Landstraßen auf einerGesamtlänge von 1400 Kilometern unpassierbar.

Knapp 6000 Soldaten, nach dem Hochwassereinsatz im vergangenenSommer im Kampf mit Naturgewalten erprobt, sind mit schweremRäumgerät auf dem Weg in den Süden und Osten Polens, wo mehr als 500Ortschaften noch immer in der eisigen Umklammerung der Schneemassenstecken. Gut 3500 Schulen haben den Unterricht eingestellt, weil dieSchulbusse nicht fahren können. Streusalz ist Mangelware, die Lagerdes Salzbergwerks Klodowa längst geleert.

Eine Entspannung zeichnete sich im benachbarten Tschechien ab, wodie Räumtrupps mit Schneepflügen ebenfalls im Dauereinsatz waren.«Endlich kann ich nach Hause fahren», sagte am Freitag in Tschechienein erleichterter Urlauber aus Nürnberg. Er hatte bereits vorSilvester die gemietete Skihütte im Isergebirge verlassen wollen,wurde aber von den Schneemassen überrascht. Jetzt machten Räumtruppsmit schwerem Gerät die Straße nach Tagen erstmals wieder frei. «ImBetrieb hat man Verständnis für meine Verspätung - Böhmen ist jaderzeit nicht die einzige verschneite Region Europas.» Auch Urlauberaus Sachsen machten sich auf den verspäteten Heimweg.

Die tschechische Polizei warnte aber vor überfrierender Nässe. Inder Nacht zu Freitag waren im östlichen Landesteil Mähren Rekord-Temperaturen von bis zu minus 29,4 Grad gemessen worden. Auch dieKommunen stöhnten über den härtesten Winter in Tschechien seit 15Jahren. «Wir haben in den vergangenen Tagen bereits die Hälfte der220 000 Kronen (etwa 6500 Euro/12 700 Mark) ausgegeben, die unserGemeindehaushalt für den gesamten Jahres-Winterdienst vorsieht»,klagte Bürgermeister Jan Gec im Riesengebirgsort Horni Marsov.

Jene Kommunen, die vom Schneechaos verschont blieben, wollenvorerst nicht aufatmen. Das gilt besonders für die Orte entlang destschechischen Teils der Elbe. Dort geht die Angst vor einem ähnlichschlimmen Hochwasser wie 1997 um. «Wir können nur beten, dass dieseitdem entstandenen Dämme halten und die Räumkommandos im Notfalleine ähnlich gute Arbeit leisten wie derzeit bei der "weißen Hölle"»,sagte die 70 Jahre alte Milada Rychtrova am Freitag.