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Design Design: Kleines Stoffstück, große Wirkung

Von Eva Neumann 14.10.2004, 12:54
Ein Mann lockert seine Krawatte. (Foto: dpa)
Ein Mann lockert seine Krawatte. (Foto: dpa) dpa

Hildesheim/Hamburg/Köln/dpa. - Sie haben keinen erkennbarenpraktischen Nutzen, und viele Männer begreifen sie eher als Teileiner Uniform denn als eigenständiges Kleidungsstück. Dabei würde essich lohnen, dem kleinen Stoffstreifen auf der Brust etwas mehrBeachtung zu schenken. Sie seien das einzige Luxuselement dermännlichen Kleidung, sagt Axel Venn, Professor für Farbgestaltung ander Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim.

Personen, die häufig in der Öffentlichkeit stehen, sind sich derSignalwirkung ihrer Krawatte meist bewusst. Überraschenderweiseerschien der republikanische US-Präsident George W. Bush dennoch zuzwei der drei TV-Rededuellen mit seinem Kontrahenten John Kerry miteiner blauen Krawatte - Blau gilt als Farbe der Demokraten, also despolitischen Gegners. Kerry wiederum erschien jedes Mal mit rotemSchlips in präsidentiellem Schick. Beides sorgte weltweit fürAufsehen.

Doch ganz unabhängig von politischen Vorlieben hat jede Farbe ihreGrundpsychologie. Beispiel Rot: «Diese Farbe bringt viel emotionaleNähe und vermittelt Wärme», erklärt Venn. Sie stehe für Energie,Dynamik und Stärke. «Außerdem hat Rot eine hohe Signalwirkung. Siekommt in der Natur selten vor und hebt sich deutlich vom Umfeld ab.»

Farbnuancen erfordern Fingerspitzengefühl: Scharlach wirktwürdevoll, Orange eher lebhaft. Blau steht für Sachlichkeit, Ruhe undKühle. Leuchtendes Gelb vermittelt Heiterkeit, Grün wiederum ist dieFarbe der Natur und Harmonie. Nur wenn die Farbe zum persönlichenCharakter passt, wird das Gesamtbild als stimmig wahrgenommen. «DieMenschen haben hier sehr feine Antennen», hält Experte Venn fest.

Neben dem Charakter ist der Anlass entscheidend. «Ein aufgeregtesOrange zu schwarzem Anzug und weißem Hemd kann auf der privaten Partyoder im künstlerischen Umfeld toll aussehen. Das demonstriertunbändiges Temperament und Zukunftsorientierung», analysiert Venn.«Im konservativen Umfeld einer Bank ist eine solche Aufmachungdagegen fehl am Platze.»

Dort sind dezente Farben und unauffällige Muster angesagt. «Geradeauf der Management-Ebene kommt es darauf an, möglichst kompetent zuwirken. Das Gegenüber soll sich darauf konzentrieren, was der Herrspricht, und darf nicht von einer auffälligen Krawatte abgelenktwerden», warnt Imme Vogelsang, Etikette-Trainerin in Hamburg. Sieempfiehlt als Grundfarben gedeckte Töne wie Weinrot, Dunkelgrün oderDunkelblau.

Doch auch feminine Nuancen sind inzwischen salonfähig geworden.«Lichtes Grün oder zartes Rosé spielen eine zunehmende Rolle. SolcheFarben drücken Innovativität und hohe Empfindungsqualitäten aus»,sagt Farbexperte Venn.

Während im privaten Umfeld auffällige Muster und großflächigeMotive zum spannenden Blickfang werden können, wirken sie imgeschäftlich-gesellschaftlichen Umfeld unpassend. «Gefragt sind hiermöglichst feine Krawatten-Muster wie das klassische Hermès-Designoder auch Streifen», rät Etikette-Trainerin Vogelsang.

Doch sogar beim zurückhaltenden Design kann Mann Fehler machen.«Streifen dürfen nie quer oder längs verlaufen», sagt FarbspezialistVenn. Bei diagonalen Streifen gelte es, auf die Richtung zu achten:Sie müssen von links unten nach rechts oben gehen. «Dannsymbolisieren sie Dynamik. In umgekehrter Richtung zeigen sieÄngstlichkeit und Fluchtgedanken.»

Streifen sind seit Jahren das dominierende Krawatten-Motiv.«Anfänglich sehr breite Streifen sind inzwischen feiner geworden.Außerdem werden mehr Kontrastfarben verwendet», erläutert GerdMüller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts inKöln. «Im klassisch-konservativen Geschäftsleben spielen nebenStreifen vor allem kleine, geometrische Muster eine Rolle: Karos oderRauten setzen dezente Akzente». Es sei aber möglich, dass wieder einePhase der organischen oder figürlichen Motive kommen könnte.

So eingeschränkt bei vielen beruflichen Anlässen die Wahl derKrawatte insgesamt ist - die Bedeutung des möglichst korrektgeknoteten Stoffstückes darf nicht unterschätzt werden. «Das Hemd undder Anzug oder das Jackett sind eher neutrale Ausdrucksmittel», sagtMüller-Thomkins. Nur mit der Krawatte sei individueller Ausdruckmöglich.

Die Qual der Wahl nimmt der deutsche Mann aber nicht allzu häufigauf sich: «Nur etwa jeder vierte Mann ist durch sein Alter oder seineFunktion ein potenzieller Krawattenträger», sagt Friedrich Peschen,Geschäftsführer der Fachvereinigung Krawatten- und Schalindustrie inKrefeld. Statistisch gesehen kaufe sich jeder aus dieser Gruppeeinmal im Jahr einen neuen Schlips, während sechs bis acht Modellebereits im Schrank hängen. «Von diesen trägt er nur zwei oder dreiwirklich regelmäßig.»