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Brandenburg Brandenburg: Grausame Eltern stehen vor Gericht

Von Peter Jähnel 27.10.2005, 09:11
Die Bilder zeigen die Eltern Angelika und Falk B. des in einer Kühltruhe gefundenen toten Dennis zu Beginn der Prozzes am Donnerstag (27. Oktober 2005) im Landgericht Cottbus. (Foto: dpa)
Die Bilder zeigen die Eltern Angelika und Falk B. des in einer Kühltruhe gefundenen toten Dennis zu Beginn der Prozzes am Donnerstag (27. Oktober 2005) im Landgericht Cottbus. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Cottbus/dpa. - Zum Prozessauftakt am Donnerstag sprachen beide Angeklagten imvoll besetzten Gerichtssaal von Streit mit den Eltern, Alkohol,Gefängnisstrafen und einem Selbstmordversuch der Frau. TragischerTiefpunkt war der ihnen angelastete Tod von Dennis, der mit siebenseiner Geschwister und den Eltern in einem Cottbuser Plattenbauwohnte.

Die Staatsanwaltschaft wirft der 44 Jahre alten Frau und ihrem 38Jahre alten Ehemann aus Cottbus vor, Dennis so vernachlässigt unddrangsaliert zu haben, dass er im Frühsommer 2001 im Alter von sechsJahren völlig entkräftet starb. Alarmierte Polizisten fanden diemumifizierte Leiche am 21. Juni 2004 in der Kühltruhe in der Küche,wo die Mutter sie versteckt haben soll.

Das arbeitslose Ehepaar muss sich wegen Totschlages undMisshandlung verantworten. «Bei einer Verurteilung kann stattTotschlag auch Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht kommen»,sagte der Vorsitzende Richter Roland Bernards. Die Frau istaußerdem wegen Betruges angeklagt, weil sie noch bis November 2003Sozialleistungen in Höhe von knapp 3800 Euro für das tote Kindbezogen haben soll.

Zum Beginn erklärten die Beschuldigten mit blassen Gesichtern,sich zu den Tatvorwürfen äußern zu wollen. Doch dazu kam es amDonnerstag nicht. Denn nachdem die Anklageschrift verlesen wordenwar und die beiden ihren Lebenslauf dargestellt hatten, unterbrachdas Gericht nach etwa zwei Stunden die Verhandlung und vertagte denProzess auf den 4. November.

Grund: Der Verteidiger der Frau hatte Einsicht in Originalaktendes Cottbuser Schulamtes und des Sozialamtes verlangt, die ihm nichtvorlägen. Fehlende Originalakten des Jugendamtes waren ihm noch imGerichtssaal übergeben worden. Der Richter stimmte ihm zu und willdie Originalakten nun beschaffen lassen. «Auch Kopien sind alsBeweismittel zulässig», kommentierte Staatsanwalt Tobias Pinder dieVerzögerung.

Das Gericht gab auch einem weiteren Antrag des Verteidigers statt.Er hatte gefordert, dass ein Dokumentarfilm des WDR über den FallDennis im Gerichtssaal gezeigt wird. Die Kammer lehnte jedoch seinendritten Antrag ab, einen Videomitschnitt von den Aussagen der Frau imGericht anfertigen zu lassen.

Die Beschuldigte belog laut Anklage ihre Familie sowie dieMitarbeiter der Behörden. Sie erzählte allen, der schulpflichtigeDennis sei krank und danach zur Kur. Als eine Konsequenz forderteSven Petke (CDU), Vorsitzende des Rechtsausschusses des PotsdamerLandtages, für das Land Brandenburg einen gesetzlichen Schulzwang.Dieser hätte weiter reichende Konsequenzen als die bislang geltendeSchulpflicht, sagte er im Inforadio.

Die Fälle schwer misshandelter und vernachlässigter Kinder dürfennach Worten von Brandenburgs Justizministerin Beate Blechinger (CDU)nicht vergessen werden. Fälle wie die der Kinder Pascal ausStrausberg (Märkisch-Oderland) oder Dennis aus Cottbus müssten alsWarnung auch dann im öffentlichen Gedächtnis bleiben, wenn sie ausden Schlagzeilen verschwunden seien, sagte Blechinger nach einerMitteilung ihres Ministeriums bei einem Erfahrungsaustausch mitFamilienrichtern.