Brand in Berlin Brand in Berlin: Während ein Mensch stirbt, lässt sich Party-Pärchen fotografieren

Berlin - Ein Brand in einem mehrgeschossigen Wohnhaus, das bedeutet Großalarm für die Berliner Feuerwehr. 100 Einsatzkräfte kämpfen gegen die Flammen, es gibt mindestens sechs Verletzte, eine Frau stirbt an einer Rauchgasvergiftung.
Und während die gesamte Reichenberger Straße ein einziges Einsatzgebiet ist, steht ein junges Pärchen bestens gelaunt zwischen den Feuerwehrfahrzeugen und lässt von einem Bekannten Erinnerungsfotos von sich schießen. Passiert ist das in Kreuzberg.
Die Polizei rekonstruiert die Ereignisse so: Gegen 4.20 Uhr bricht das Feuer am Freitagmorgen in dem vierstöckigen Altbau in der Reichenberger Straße aus noch ungeklärter Ursache zunächst in der ersten Etage aus. Schnell greifen die Flammen auf die zweite Etage über. Der 52-jährige Mieter der betroffenen Wohnung des Seitenflügels kann sich mit schweren Brandverletzungen auf ein Vordach retten. Er wird mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht.
Mieterin stirbt an Rauchgasvergiftung
Für eine 49-jährige Bewohnerin des Hauses kommt aber jede Hilfe zu spät. Sie wird während der Rettungs- und Löscharbeiten durch die Berliner Feuerwehr leblos in einer Wohnung im dritten Stock aufgefunden. Und stirbt noch vor Ort trotz eingeleiteter Wiederbelebungsmaßnahmen. Und während die Rettungskräfte hilflos zusehen müssen, wie ein Mensch stirbt, amüsiert sich ein Party-Pärchen und lässt sich lachend fotografieren. Warum?
Wenn die Sirenen der Rettungskräfte ertönen und die blauen Lichter der Einsatzfahrzeuge zu sehen sind, kommen automatisch Menschen zusammen, die wissen wollen, was los ist. Es liegt in der Natur des Menschen, neugierig zu sein, sagen Psychologen. Doch die Grenze zwischen „nur“ schauen und pietätlos gaffen verschwindet zusehends. Gleichzeitig sinkt die Hemmschwelle und das moralische Bewusstsein. Fröhliche Fotos von sich selber machen, während nur wenige Meter weiter Menschen leiden oder wie im aktuellen Fall sogar sterben, das ist das Ergebnis dieser erschreckenden Entwicklung.
Gaffen ist eine Ordnungswidrigkeit
Immer wieder müssten Kollegen im Einsatz gegen Neugierige vorgehen, die fotografieren wollen oder einfach nur sensationsgierig seien, sagt Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Zwar ist Gaffen mittlerweile eine Ordnunsgwidrigkeit und kann nach einer kürzlich verabschiedeten Gesetzesänderung mit bis zu 1000 Euro bestraft werden.
Zudem darf die Polizei nun auch die Mobiltelefone von unbelehrbaren Schaulustigen einziehen. Doch dadurch steht die Polizei laut Malchow vor einem neuen Problem. Für das Vorgehen gegen „Katastrophen-Touristen“ fehle eigentlich das Personal, das im vergangenen Jahrzehnt bei wachsenden polizeilichen Aufgabe vielerorts erheblich ausgedünnt worden sei.
Im aktuellen Fall aus der Reichenberger Straße verschwand das Foto-Pärchen nach den Aufnahmen unerkannt in der Menge weiterer Schaulustiger. Konsequenzen müssen der Mann und die Frau somit vermutlich nicht befürchten und können sich ungeniert an ihrem Erinnerungsfoto erfreuen. Vielleicht sogar in dem Wissen, dass im Hintergrund ein Mensch gestorben ist.