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Belgien Belgien: Vier Tote und mehr als 120 Verletzte bei Anschlag in Lüttich

Von Michael Stürzenhofecker und Tobias Schmidt 14.12.2011, 07:07

Lüttich/Brüssel/dapd/afp. - Ein wegen Waffen-und Drogenbesitzes vorbestrafter Mann hat am Dienstag Menschen imStadtzentrum mit Granaten und Schüssen angegriffen. Der 33-Jährigetötete zwei Teenager, bevor er sich selbst erschoss. Ein 18Monate altes Baby starb später im Krankenhaus. Mehr als 120 Menschenwurden verletzt.

Das Blutbad versetzte die belgische Stadt nahe der deutschenGrenze in einen Schock. Stundenlang kursierten Gerüchte über dieFlucht eines möglichen Komplizen, und die Innenstadt wurde bis zumAbend abgeriegelt. Einen terroristischen Hintergrund schloss dasInnenministerium aber rasch aus.

Der Täter, dessen Namen die Behörden mit Norodine A. angaben,riss einen 15-Jährigen, eine 17-Jährige und eine 75 Jahre alte Fraumit in den Tod, sagte Staatsanwältin Danièle Reynders. Der Lütticherhabe sich am späten Vormittag mit dem Wagen Richtung Innenstadt aufden Weg gemacht und ein Sturmgewehr, einen Revolver und zahlreicheHandgranaten in einem Rucksack dabeigehabt.

Zwtl: «Es war grauenhaft»

Auf der Place Saint-Lambert, wenige Meter vor einem gut besuchtenWeihnachtsmarkt, schlug er gegen 12.30 Uhr zu: Von einem Vorplatzwarf er drei Handgranaten in einen Unterstand an einerBushaltestelle und eröffnete das Feuer. Ob er anschließendSelbstmord beging oder sich unbeabsichtigt umbrachte, sei noch nichtgeklärt, sagte Reynders. Polizisten hätten ihn nicht getötet. Nachder Tat wurden noch mehrere nicht gezündete Granaten in seinemRucksack gefunden.

Das Attentat löste Panik aus. Die Menschen rannten um ihr Leben,versuchten, sich und ihre Kinder vor den Kugeln und Granaten inSicherheit zu bringen. «Es war grauenhaft», schilderte einAugenzeuge dem Sender RTL die Augenblicke nach der Tat. Geschäfteund Restaurants wurden verbarrikadiert. Er habe versucht, in einCafé zu flüchten, sei aber nicht mehr hineingekommen, sagte derdeutsche Student Konstantin Fischenich der Nachrichtenagentur dapd.Noch am Abend suchte er nach seinen Freunden. Auf Fernsehbildernwaren Blutlachen zu sehen. Unter den Verletzten ist nach einemBericht der Zeitung «La Libre Belgique» ein zweijähriges Kleinkind,das noch mit dem Leben ringt.

Zur Versorgung der vielen Verletzten eilten auch Rettungskräfteaus den Niederlanden herbei. Im Hof des nahe gelegenenJustizpalastes unweit des Anschlagsortes wurde eineNotversorgungsstelle für die Leichtverletzten eingerichtet. «DieZustände sind chaotisch», sagte der Vater eines verletzten Kindes amNachmittag dem Fernsehsender RTL.

Zwtl: Berichte über Komplizen sorgen für Panik

Mehrere Medien hatten zunächst über eine Verfolgungsjagd miteinem mutmaßlichen Komplizen durch die Innenstadt berichtet. Demnachgab es eine Stunde nach dem Anschlag einen Schusswechsel mitSicherheitskräften. Die Polizei dementierte dies aber später. AuchMeldungen, ein mutmaßlicher zweiter Täter habe sich in denJustizpalast geflüchtet, erwiesen sich als falsch.

Über das Motiv des 33-Jährigen gab es zunächst keine genauenAngaben. Amrani hatte einen Termin für eine Befragung durch dieJustizbehörden, sagte Staatsanwältin Reynders. Der Mann war lautStaatsanwaltschaft wegen Sexualdelikten vorbestraft und hatte erst2008 eine Haftstrafe von 58 Monaten für illegalen Waffenbesitz undden Anbau von Cannabis erhalten. Laut der Zeitung «Sudpresse» warendamals bei ihm 9.500 Waffenteile sowie Dutzende einsatzbereiteSchusswaffen gefunden worden. Warum es ihm nach der Haft erneutgelang, sich umfangreich zu bewaffnen, gehört zu den Fragen, die amDienstag zunächst unbeantwortet blieben.

Sein Attentat sorgte für Bestürzung in Belgien. König Albert II.traf am Abend in strömendem Regen in Lüttich ein, um sich über denHergang zu erkundigen und die Verletzten und Opferangehörigen zutrösten. EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek drückte dem Land seineAnteilnahme aus. Er sei zutiefst schockiert von dem Blutbad unddenke an die Opfer und ihre Familien, sagte Buzek.

Für die Bundesregierung brachte Außenminister Guido Westerwelle(FDP) die Anteilnahme an der Trauer um die Opfer des Anschlags zumAusdruck. «Wir trauern mit Belgien um die Opfer dieses Verbrechens»,sagte Westerwelle am Dienstag in Berlin. «Den Angehörigen undFreunden gilt unser Mitgefühl. Den Verletzten wünschen wir baldigeGenesung.»