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Archäologie Archäologie: «Müritz-Ötzi» kommt unter den Scanner

Von Ralph Sommer 30.06.2008, 09:21
Archäologe Detlef Jantzen betrachtet im Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege in Neustrelitz einen Oberschenkelknochen des Müritz-Ötzi-Skelettes. Unter der Inventarnummer 2007/1045-244 ist der in Sand eingebettete bräunliche Menschenschädel und das ganze Skelett des am 5. September 2007 am Südufer der Müritz gefundenen Steinzeitmenschen gelagert. (Foto: ddp)
Archäologe Detlef Jantzen betrachtet im Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege in Neustrelitz einen Oberschenkelknochen des Müritz-Ötzi-Skelettes. Unter der Inventarnummer 2007/1045-244 ist der in Sand eingebettete bräunliche Menschenschädel und das ganze Skelett des am 5. September 2007 am Südufer der Müritz gefundenen Steinzeitmenschen gelagert. (Foto: ddp) ddp

Neustrelitz/ddp. - Eine schmucklose Holzkiste, kaum 30 mal 40Zentimeter groß, ist die vorerst letzte Ruhestätte für «Müritz-Ötzi».Mecklenburg-Vorpommerns Chefarchäologe Detlef Jantzen wuchtet inNeustrelitz das schwere Behältnis aus dem Depotregal, öffnet denDeckel der Kiste mit der Kennzeichnung «Inventar 2007/1045-244» undgibt den Blick frei auf einen in Sand eingebetteten bräunlichenMenschenschädel. «Genau so hat unser Grabungsteam am 5. September2007 am Südufer der Müritz die Überreste des Steinzeitmenschen ausder Erdkrume gekratzt», sagt er. Seitdem wird der nach Ansicht vonFachleuten sensationell gut erhalten gebliebene Fund als der wohlälteste Ahne Mecklenburgs gehandelt und sogar mit der Mumie des nur1000 Jahre älteren Ötzis aus Südtirol verglichen.

Bislang wurde der nur leicht eingedrückte Schädel nichtvollständig aus dem Erdreich gelöst. Auch die Füße - Schuhgröße 37 -wurden zunächst nur im Block geborgen und in einer weiteren Kisteverpackt. Zu groß ist die Gefahr, dass die feingliedrigen undporösen, mehr als 4000 Jahre alten Knochen zerbröseln. «Wir wissenbislang nur, dass es sich hier vermutlich um einen etwa 30-jährigenMann handelte, der etwa 2400 vor Christus in einer einfachenBodenbestattung in der damals typischen Hockerstellung und mit einerAxt als Beilage zu Grabe getragen wurde«, sagt Jantzen.

Dass nahezu das komplette Skelett eines so alten Vorfahren derartgut überdauerte, werten die Archäologen im Norden als Glücksfall.Denn die Grabstätte in nur knapp 50 Zentimetern Tiefe in Vietzen beiRechlin blieb nicht nur von neuzeitlichen Traktorpflügen verschont.Auch schon Ackerbauern der Bronzezeit, die 1000 Jahre nach dem Todvon »Müritz-Ötzi« auf der Anhöhe Hunderte Gruben für Vorräte oderAbfälle gebuddelt hatten, waren nicht auf den Vorfahren gestoßen. Undnicht zuletzt verhütete der besonders kalkhaltige Boden, dass sichdie Gebeine nicht im Laufe der Jahrzehnte auflösten.

Woran der Mann einst starb, ist bislang unklar. Eine verdächtigekreisrunde Schädelöffnung deutet darauf hin, dass er an den Folgeneines steinzeitlichen »chirurgischen Eingriffs« zu Tode gekommen seinkönnte. Deshalb soll der Totenkopf nun in Rostock einerComputertomografie unterzogen werden. Der Greifswalder Professor fürNeurochirurgie, Jürgen Piek, der als Spezialist für frühzeitliche,sogenannte Trepanationen gilt, will durch die dreidimensionaleRöntgenuntersuchung Aufschlüsse über die Todesumstände erhalten. Unddie Archäologen hoffen, dass die Scanner-Untersuchung auch Hinweisedarauf bringt, wie man den noch immer halb im Erdreich steckendenSchädel ohne Schaden komplett freilegen kann.

Ein solcher Fund wäre natürlich ein spektakuläres Exponat für dasvom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege geplante Landesmuseum fürArchäologie, findet Jantzen. Die Kosten für die komplette Freilegungund Konservierung schätzt er auf mehrere zehntausend Euro. OhneSponsoren sei dies kaum zu bewerkstelligen. Interesse an einerAusstellung des «Müritz-Ötzi» signalisierten schon die NeustrelitzerStadtwerke. Der regionale Energieversorger ließ mittlerweile auf derFundstelle eine Biogasanlage errichten.