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Nach A4-Tragödie A4 bei Köln: Mutter schreibt emotionalen Dankesbrief an Kölner Helfer

Von Christian Kreckel 31.12.2017, 12:23
Rettungskräfte und Polizei im Einsatz.
Rettungskräfte und Polizei im Einsatz. imago/Symbol

Köln/London - Nach der tödlichen Unfall-Tragödie auf der A 4, bei der ein Sechsjähriger aus dem Auto geschleudert und von einem weiteren Wagen überrollt wurde (hier mehr dazu lesen), hat die Mutter (29) des verstorbenen Kindes einen Dankesbrief geschrieben.

Sie spricht dem Notdienst, den Schwestern und Ärzten der Uniklinik Köln, den Rechtsmedizinern, dem Bestattungsdienst, der Polizei und Dutzenden anderen Menschen, die geholfen haben, ihren Dank aus. Den Brief übermittelte die Frau ihres Cousins, die im Express die dramatischen Stunden nach dem Unfall schildert.

Der Brief im Wortlaut

Ich bin die Mutter des sechsjährigen Jungen, der in der Nacht auf Heiligabend auf der A 4 bei Köln auf tragische Weise tödlich verunglückte. Es ist für mich ein unbegreifbarer Verlust und der Schmerz ist unermesslich, aber was mir im Anschluss an Mitmenschlichkeit widerfahren ist, gibt mir viel Kraft.

Ich lebe in England, bin in Köln aufgewachsen und Muslimin mit pakistanischen Wurzeln.  Bei all den mir zuvor fremden Menschen in Deutschland, die mir in dieser schwierigen Zeit beigestanden haben, und mit mir und meiner Familie mitgefühlt haben, möchte ich mich aus ganzen Herzen bedanken. Heute ist meine Rückkehr nach London und ich nehme meinen geliebten verstorbenen Sohn mit nach Hause.

Mein Aufenthalt in Deutschland war sehr schmerzhaft und traurig und dennoch kehre ich mit viel Hoffnung und Mut zurück. Ich bin überwältigt  zu sehen, wie so viele Menschen mit uns getrauert haben und für uns da waren. Sie haben uns in erster Linie als Menschen gesehen, ohne zu bedenken aus welchem Land ich komme, welcher Religion ich zugehöre, welche Hautfarbe ich habe oder welcher Herkunft ich bin.

All die Menschen, die für uns da waren, der Notdienst, die Schwestern und Ärzte der Uni-Klinik Köln, der Imam und die Muslime der Ahmadiyya Gemeinde, die Rechtsmediziner, der Bestattungsdienst, die Polizisten und Dutzende andere Menschen, die uns geholfen haben – obwohl sie uns vorher gar nicht kannten! Diese Menschen haben mir gezeigt, wie gelebte Mitmenschlichkeit aussieht.

Das zu sehen, hat mich sehr bewegt. Ich hatte das Gefühl, dass ein friedliches Miteinander auf dieser Welt möglich wäre, wenn wir alle als Menschen zusammen und zueinander halten. So wie es die christlichen, muslimischen und andersgläubigen Kölner, die ich in dieser schweren Zeit kennen lernen durfte, vorgelebt haben. Vielen Dank dafür! Ich wünsche allen ein gesegnetes und frohes neues Jahr.

Cousin rief sofort in Frankfurt an

Khola Maryam Hübsch (37) kann sich eine Woche später noch sehr genau darin erinnern, wie sie in der Nacht zu Heiligabend von dem Drama erfuhr. „Ein Cousin meines Mannes, der mit seinen Kindern im vorausfahrenden Auto saß, hat uns unmittelbar nach dem Unfall angerufen. Er konnte und wollte das alles nicht wahrhaben“, berichtet die Frankfurterin, die sehr gefasst mit dem Geschehenen umgeht.

Die Verwandtschaft aus London war auf dem Weg in die Main-Metropole, als in Höhe Klettenberg der hintere linke Reifen des anderen Fahrzeugs platzte. Der Wagen geriet ins Schleudern, krachte in die Böschung und überschlug sich mehrfach. Der Sechsjährige flog aus dem Auto.

Mutter musste ansehen, wie ihr Sohn überrollt wurde

Besonders schlimm: Seine Mutter Nusrat Jahan Idrees (29) musste mit ansehen, wie der Junge auf der mittleren Fahrbahn von einem nachfolgenden Auto überrollt und getötet wurde – die Suche nach dem Fahrer dauert weiter an. Der Vater erfuhr in Pakistan von der Horror-Nachricht, reiste sofort nach Deutschland.

„Mein Mann hat sich direkt ins Auto gesetzt, um die Kinder seines Cousins abzuholen, der Rest wurde in die Kölner Uni-Klinik gebracht“, so Hübsch. Darunter neben der Mutter auch Oma (64), Opa (73) und der acht Monate junge Bruder des Sechsjährigen, „der zum Glück nur ein paar Schrammen davontrug“.

Beeindruckende Reaktion auf Schicksalsschlag

Auch der Opa kam glimpflich davon, die Großmutter hingegen erlitt schwere Knie- und Armverletzungen sowie mehrere Rippenbrüche. Während sich ein Teil der Familie um sie kümmert und ihr in der wochenlangen Reha zur Seite steht, ist die Mutter am Donnerstag mit dem toten Sohn nach London zurückgekehrt.

„Sie hat sehr stark und gefestigt reagiert. Es ist beeindruckend, mit wie viel Kraft sie diese Situation meistert. Als Muslimin schöpft sie viel Mut und Zuversicht aus ihrem Glauben und versucht trotz des großen Verlustes ihren Frieden zu finden“, erklärt Hübsch. „Natürlich haben wir alle mit uns gehadert, ob man das Unglück hätte verhindern können. Doch letztlich können wir es nicht mehr ändern.“

Traurige Rückkehr nach Köln

Bei ihrer traurigen Rückkehr nach Köln, wo Nusrat Jahan Idrees aufwuchs und ihr Abitur machte, ehe sie zum Studium nach London zog und ihre eigene kleine Familie gründete, hätten sich höchst emotionale Szenen abgespielt. „Eine Ärztin in der Uni-Klinik, die auch zwei Kinder hat, ist ihr in die Arme gefallen und hat mitgeweint. Die Anteilnahme war riesig und von großer Mitmenschlichkeit geprägt.“ (red)