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25 Jahre nach dem Oktoberfest-Attentat 25 Jahre nach dem Oktoberfest-Attentat: Noch immer Zweifel über Täter

25.09.2005, 14:50
Mit Tüchern zugedeckte Todesopfer liegen neben Blutlachen am Tatort des nächtlichen Anschlages auf dem Münchner Oktoberfest (Archivfoto vom 26.09.1980). 13 Menschen starben bei dem Anschlag vor 25 Jahren. (Foto: dpa)
Mit Tüchern zugedeckte Todesopfer liegen neben Blutlachen am Tatort des nächtlichen Anschlages auf dem Münchner Oktoberfest (Archivfoto vom 26.09.1980). 13 Menschen starben bei dem Anschlag vor 25 Jahren. (Foto: dpa) dpa

München/dpa. - In einem Umkreisvon 30 Metern liegen verstümmelte Leichen, verletzte Menschenschreien um Hilfe. Die Bilanz: 13 Tote - unter ihnen drei Kinder -und mehr als 215 Verletzte. Bis heute gibt es Zweifel, ob derRechtsradikale Gundolf Köhler die Tat eine gute Woche vor derBundestagswahl tatsächlich ohne fremde Hilfe begangen hat.

Der 21-jährige Geologie-Student aus Donaueschingen und frühereAnhänger der dann verbotenen rechtsextremistischen «WehrsportgruppeHoffmann» hatte nach einer verpatzten Prüfung den Sprengsatz mit 1,39Kilogramm TNT in einem Mülleimer am Eingang zum Oktoberfestdeponiert. Er kam selbst bei der Explosion ums Leben. Als Konsequenzgibt es auf der Wiesn seitdem keine öffentlichen Papierkörbe mehr.

Das Oktoberfest wurde damals für einen Tag unterbrochen. AmEingang zur Theresienwiese wurde ein Mahnmal errichtet, an dem auchheute noch Menschen das ganze Jahr über Blumen niederlegen. Am Montag(26. September) will der Stadtrat dort in einer Feierstunde der Opfergedenken. Geladen sind auch Hinterbliebene sowie Überlebende vondamals. «Diesem Jahrestag müssen wir uns stellen», betontOberbürgermeister Christian Ude (SPD). Der Anschlag mache einmal mehrdeutlich, welches Maß an Menschenverachtung in der rechtsradikalenSzene herrsche. «Die Opfer leiden bis heute.»

Mehrere Menschen wurden zu Krüppeln, viele blieben jahrelang inärztlicher Behandlung. Eine junge Frau musste Dutzende Operationenüber sich ergehen lassen, einem damals 17-jährigen Automechanikerriss die Bombe beide Beine weg. Zwei Frauen, die mit ihren Ehemännernvom Wiesn-Bummel auf dem Heimweg waren, wurden zu Witwen. EinFamilienvater verlor zwei seiner drei Kinder. Er kämpfte mit anderenBetroffenen jahrelang für eine Wiederaufnahme des Verfahrens, ummögliche weitere Schuldige dingfest zu machen - vergeblich.

Die Bundesanwaltschaft befand damals, Köhlers Motiv könne «sowohlauf eine schwere Persönlichkeitskrise als auch auf Unzufriedenheitmit den politischen Verhältnissen» zurückgehen. Beamte einerzeitweise 100 Mann starken Sonderkommission überprüften mehr als 860Hinweise, befragten 1800 Zeugen und erstellten 100 kriminaltechnischeGutachten, bis der Fall gut zwei Jahre später zu den Akten gelegtwurde. Ein hinreichender Tatverdacht gegen andere Personen habe sichnicht ergeben, erklärten die Ermittler.

Der Anwalt der Betroffenen, Werner Dietrich, kam hingegen nachEinsicht in die Ermittlungsakten zu dem Schluss, drei oder vierweitere Täter aus dem neonazistischen Bereich könnten an dem Anschlagbeteiligt gewesen sein. Außerdem könne der Anschlag in einem größerenZusammenhang gestanden haben und keineswegs nur die Tat einesfrustrierten Einzelnen gewesen sein. «In diese Richtung ist nichtweiter ermittelt worden», kritisiert Dietrich noch heute. Köhlerkönnte ein Nachahmungstäter gewesen sein, der den AnschlagRechtsradikaler rund acht Wochen zuvor auf den belebten Bahnhof vonBologna zum Vorbild nahm. Dort starben 85 Menschen.

Nach Dietrichs Angaben hatten Augenzeugen in dem Auto, in dem derWiesn-Attentäter nach München kam, weitere Personen gesehen, die sichwild gestikulierend unterhielten. Außerdem habe eine Frau kurz vordem Attentat gehört, wie jemand sagte: «Weg hier, es passiert hiergleich was.»

Zwar wurden nach Abschluss der Ermittlungen noch einmal weitereZeugen vernommen. Im Juni 1984 erklärte der damaligeGeneralbundesanwalt Kurt Rebmann jedoch, die Recherchen würden nichtwieder aufgenommen. Für Dietrich ist der Fall dennoch nicht endgültigabgeschlossen. «Wenn noch einmal neue Fakten kommen, werden wirweitermachen - es geht nicht nur um ein Einzelverbrechen, sondern umdie politische Dimension und um Gerechtigkeit für die Opfer.»