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150 Jahre Central Park 150 Jahre Central Park: Schön, groß und ein bisschen schaurig

30.06.2003, 09:13
Blick über den New Yorker Central Park in Richtung Süden auf das Plaza Hotel an der Fifth Avenue, aufgenommen am 24.06.2003. Der berühmte Park im Herzen von "Big Apple" war in unzähligen Hollywoodfilmen zu sehen - und ganz in der Nähe wurde John Lennon erschossen. Die Grünanlage, die mit 341 Hektar größer ist als Monaco, feiert am 21. Juli ihren 150. Geburtstag. Bis in den Herbst hinein werden die Feierlichkeiten zur Erteilung der Baugenehmigung am 21. Juli 1853 andauern. (Foto: dpa)
Blick über den New Yorker Central Park in Richtung Süden auf das Plaza Hotel an der Fifth Avenue, aufgenommen am 24.06.2003. Der berühmte Park im Herzen von "Big Apple" war in unzähligen Hollywoodfilmen zu sehen - und ganz in der Nähe wurde John Lennon erschossen. Die Grünanlage, die mit 341 Hektar größer ist als Monaco, feiert am 21. Juli ihren 150. Geburtstag. Bis in den Herbst hinein werden die Feierlichkeiten zur Erteilung der Baugenehmigung am 21. Juli 1853 andauern. (Foto: dpa) dpa

New York/dpa. - Schöne Geschichten verbinden sich mit dieser Grünanlage, wie die von Teresa und José. Schaurige auch. Morde, Raubüberfälle, Vergewaltigungen. Das hat es alles gegeben im Central Park, dessen 150. Geburtstag New York den ganzen Sommer und noch weit in den Herbst hinein feiert. Tragödien haben sich hier abgespielt und Freudenfeste. John Lennon wurde ganz in der Nähe von einem geistig Verwirrten erschossen. Michael Douglas und Catherine Zeta-Jones feierten vor den Parktoren ihre Hochzeit mit dutzenden Hollywoodstars. Und die Stadtväter waren sich für eine kleine Schummelei nicht zu schade, um das Jubiläum schon ein bisschen früher begehen zu können.

Aber erst einmal die Geschichte von Teresa und José, dem Liebespaar aus Harlem: Im letzten Winter hatten sich die beiden beim Eislaufen im Central Park kennen gelernt. «Wir haben uns geschworen, bei schönem Sommerwetter hierher zurück zu kommen, und uns endlos zu küssen», erzählt José. Sie mussten lange warten. Seit in New York 1869 mit der Aufzeichnung von Wetterdaten begonnen wurde, hat es keinen solchen Dauerregen-Frühling wie im Jubiläumsjahr des Central Parks gegeben. Ende Juni war es soweit. Die Sonne schien von früh bis spät. Teresa und José standen da und küssten sich, stundenlang.

Nicht dass die Knutscherei irgendjemanden gekümmert hätte. Liebespaare gibt es hier zu tausenden. Und Liebesgeschichten in Massen. Schriftsteller besuchen den Park, um sich von Gesprächen mit Leuten wie Teresa und José inspirieren zu lassen. Maler kommen in Scharen, bei jedem Wetter. Touristen sowieso. 25 Millionen Menschen, sagt der Park Service, sind es «so ungefähr» im Jahresdurchschnitt. Genau weiß das niemand. Der Park hat viele Eingänge, der Eintritt ist frei. Auch das Fürstentum Monaco kann schließlich nur schätzen, wie viele Besucher jedes Jahr über seine grüne Grenze kommen. Und Monaco mit seinen knapp zwei Quadratkilometern ist viel kleiner als der gut 341 Hektar (3,41 Quadratkilometer) große Central Park.

Die Stadtväter der nordamerikanischen Kulturmetropole hatten jedoch ganz andere Zahlen im Kopf, als sie ihren Blick kürzlich auf den Central Park richteten. Die Zahlen des Milliardenlochs im New Yorker Haushalt waren es, die sie klar erkennen ließen: «Wir brauchen mehr Touristen!» Zwar ist der Eintritt zum Central Park frei, aber jede bezahlte Übernachtung eines «Big Apple»-Touristen, jedes Dinner, jeder Theaterbesuch bringen Steuern in das Stadtsäckel und beleben die Wirtschaft.

Nichts ist besser für die Touristenvermehrung als ein großes Jubiläum eines weltweit bekannten Wahrzeichens mit allem drum und dran, sagten sich die Stadtväter und griffen zu einer List. Vor 150 Jahren war der Central Park, wenn man es nun wirklich genau nehmen will, noch alles andere als ein Park. Es gab nicht einmal einen Entwurf. Damals trieben irische Hirten Schafe und Schweine über das Gelände. Vorbei an Gemüsebauern, die aus Deutschland eingewandert waren. Vertrieben wurden die insgesamt rund 1600 Bewohner des Gebietes erst, als mit den Bauarbeiten für die Errichtung des Parks begonnen wurde, aber das ist noch keine 150 Jahre her.

Das Jubiläum macht die Stadtverwaltung nicht an der Fertigstellung und nicht einmal am ersten Spatenstich fest, sondern am ersten klaren Verwaltungsakt in Sachen Grünanlage für New York. Am 21. Juli 1853 wurde die Baugenehmigung für einen großen öffentlichen Park in der rapide wachsenden Stadt erteilt. Fertig war er erst rund 20 Jahre später. Es spricht für die Weitsicht der führenden Männer New Yorks, dass sie für den Central Park ein derart riesiges Areal vorsahen.

In den 50 Jahren vor dieser Entscheidung war mehr oder weniger hemmungsloser Häuserbau die Norm. Das ist New York an jeder Ecke anzusehen. Doch vor der Bevölkerungsexplosion auf der Insel Manhattan konnte niemand mehr die Augen verschließen. Von 1800 bis 1850 war die Einwohnerzahl von 60 000 auf eine halbe Million gestiegen. Der Wunsch nach einer «grünen Lunge» war allerdings nicht allein ausschlaggebend. Die zu Reichtum gekommenen New Yorker dachten inzwischen auch ans Prestige.

«Jede bedeutende Metropole in der Alten Welt hatte damals ihren repräsentativen Park», sagt die Historikerin Sara Cedar Miller. «Das wollte man endlich in New York auch haben.» Hinzu kam, so Miller, dass inzwischen Sozialreformer die Idee eines Volksparkes als Ort der Begegnung zwischen den etablierten reichen Schichten, der Mittelklasse und den meist armen Einwanderern propagierten. Die Fernsehshow am roten Teppich von der Ankunft der Stars für die Verleihung der Oscars in Hollywood wurde vorweggenommen. «Die Armen sollten die Reichen in ihren schönen Kleidern sehen und dadurch für den amerikanischen Traum eingenommen werden», sagt Miller, Autorin des Buches «Central Park. An American Masterpiece».

150 Jahre Park-Meisterstück kann New York noch oft feiern. 2008 zum Beispiel, denn am 18. April 1858 war es endlich soweit, dass über den Architekturwettbewerb für den Central Park entschieden wurde. Den Zuschlag bekamen Frederick Law Olmsted und Calvert Vaux. Ihre Siegerzeichnung ist in der Ausstellung «Central Park: A Sesquicentennial Celebration» im Metropolitan Museum of Art zu betrachten. Das Museum, das am Rande des Parks and der Fifth Avenue liegt, lässt kein Detail aus. 217 952 Bäume, Büsche und Sträucher wurden gepflanzt, 4 Millionen Kubikmeter Erde, Geröll und Gestein wurden bewegt. Bis zu 3800 Arbeiter waren beteiligt.

Nach dem Ende des so unerwartet langandauernden Regens in diesem Frühjahr liefen die Central-Park-Feiern so richtig an. Bis weit in den Herbst reicht das Programm. Konzerte von Jazz bis Klassik gehören dazu, fast jeden Tag. Stars von Film, Fernsehen und Musik geben sich die Ehre. Klar dass auch an jene Stars erinnert wird, die in unzähligen Hollywoodfilmen im Central Park zu sehen waren. Beatles- Fans aus aller Welt werden zu Happenings auf dem «Strawberry Field» erwartet. Nach diesem Titel eines Hits der «Pilzköpfe» wurde ein rund ein Hektar großes Areal an der Westseite benannt. Es liegt dem Dakota House gegenüber, wo John Lennon am 8. Dezember 1980 von einem geistig verwirrten Fan erschossen wurde.

Yoko Ono hatte sich die Anlage des Erdbeerfeldes eine Million Dollar kosten lassen. Vor drei Jahren gedachten hier tausende Fans des 20. Lennon-Todestages. Bei einer Nachtwache sangen sie auch Spottlieder auf den Bürgermeister Rudolph Giuliani, weil es der konservative Politiker abgelehnt hatte, an der Gedenkfeier teilzunehmen. Giuliani, der später wegen seiner Standhaftigkeit nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 weltweit Anerkennung erfuhr, kann mit Beatmusik nichts anfangen. Er ist eingefleischter Opernfan. Auch für diese Spezies hat der Central Park jedes Jahr im Sommer etwas zu bieten: Kostenlose Freiluftkonzerte der Metropolitan Opera.

Dass Besucher sich seit Jahren wieder ohne Furcht am Central Park erfreuen können, ist weitgehend Giuliani und seiner Politik der «Null Toleranz» zu danken. Der Ex-Staatsanwalt hatte als Bürgermeister die Polizei angewiesen, jede noch so kleine Straftat zu verfolgen. Liberale New Yorker rümpften damals die Nase, als Cops auch im Central Park Razzien unternahmen und Rauschgiftsüchtige festnahmen. Auch heute ist die massive Polizeipräsenz im Park unübersehbar, aber wer nicht gerade Haschisch rauchen, öffentlich Bier trinken, oder Hunde auf der Sonnenwiese pinkeln lassen will, fühlt sich vielleicht gerade wegen der Cops im Central Park so sicher.

Mit in paar Polizisten in der Nähe lässt sich auf einer der vielen Wiesen auch die Kriminalgeschichte des Parks mit all ihren Morden und Vergewaltigungen viel besser nachlesen. Einer der spektakulärsten Fälle war in den der 80-er Jahren die brutale Vergewaltigung einer weißen Joggerin aus gutem Hause. Fünf junge Schwarze wurden dafür hinter Gitter gebracht. Für 13 Jahre. Im letzten Herbst ergaben DNA- Analysen, dass sie unschuldig waren. Kurz vor Weihnachten 2003 kamen sie frei. Doch diese Geschichten werden bei den offiziellen Central- Park-Feten keine Rolle spielen.