MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 6. März 2025 Schuldendamm bricht: Warum das kaum jemand schlimm findet
Weitere Themen: Großer Autozulieferer insolvent / Woidke will russisches Öl /Geschäftsklima hellt sich auf / Reparaturbonus endet / Platznot bei Logistikern

die skurrilste wirtschaftspolitische Nachricht in dieser Woche lieferte für mich die Landesregierung in Sachsen-Anhalt. Das Land hat ein Sondervermögen über zwei Milliarden Euro aufgelegt, um gegen eine mögliche nächste Pandemie gewappnet zu sein. Jetzt wurde aber festgestellt, dass man keine FFP2-Masken mehr im Lager hat. Gesundheits- und Innenministerium schieben sich gegenseitig dafür die Schuld in die Schuhe.
Und damit wären wir auch beim Thema dieses Newsletters. Die Landesregierung gab zwar an, die Mittel zur Pandemievorsorge einzusetzen, doch am Ende stopfte man mit den neuen Schulden unter anderem die großen Löcher in der Gesundheitsvorsorge. Das müsste eigentlich aus dem regulären Haushalt geschehen, doch selbst steigende Steuereinnahmen werden etwa durch hohe Personalkosten gleich wieder aufgefressen.

Ähnlich gehen Union und SPD nun in ihren Sondierungsgesprächen vor. Noch im Wahlkampf betonte Friedrich Merz, dass die Schuldenbremse bestehen bleibt. Nun soll sie durch ein gigantisches Infrastrukturprogramm in Höhe von 500 Milliarden Euro in Form eines Sondervermögens ausgehebelt werden. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau, Thomas Brockmeier, weist zu Recht darauf hin, dass Infrastrukturmaßnahmen aus dem regulären Haushalt bezahlt werden müssen. Doch solche Rufe werden verpuffen.
Der Bauindustrieverband Ost hat bereits berechnet, dass Sachsen-Anhalt 1,25 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung stehen. Mit dem Geld könnten in Sachsen-Anhalt etwa mehr Landesstraßen als bisher saniert werden; das Budget dafür hatte die Landesregierung im Doppelhaushalt 2025/2026 zuletzt massiv gekürzt. Auch das Brücken-Bauprogramm könnte ausgeweitet werden; bisher will das Land für 99,6 Millionen Euro bis 2028 16 Brücken verschiedener Bauart an Landes- und Bundesstraßen erneuern. Zudem sollen mittelfristig mehr als 20 als problematisch geltende Spannbetonbrücken ersetzt werden. Sie ähneln in ihrer Bauart der eingestürzten Dresdner Carolabrücke.
Wer kann dazu schon nein sagen?
Sachsen-Anhalts Arbeitgeberpräsident Marco Langhof sieht es pragmatisch: Die Mittel könnten dazu führen, dass „Deutschland wieder ein attraktiverer Standort wird“, betont er. Brücken und Straßen müssten repariert werden, die Züge wieder pünktlich fahren. „Das Geld muss aber so ausgegeben werden, dass tatsächlich zusätzliche Wirtschaftsleistung entsteht und am Ende auch mehr Steuern eingenommen werden“, meint der Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt. Denn die Schulden müssen irgendwann auch zurückgezahlt werden.

Laut Langhof ist nicht die absolute Höhe der Schulden entscheidend, sondern die Fähigkeit, mit diesen umzugehen. Als wichtiger Indikator wird dazu die Staatsverschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) gesehen. Bisher ist die Schuldenlast Deutschlands im internationalen Vergleich eher gering (siehe Grafik). Pro Jahr muss der Bund etwa 40 Milliarden Euro Zinsen für die Schulden zahlen. Durch zusätzliche Kredite für Infrastruktur und Militär könnten diese Zahlungen aber sehr schnell auf 60 oder 80 Milliarden Euro ansteigen.
Der hallesche Wirtschaftsforscher Oliver Holtemöller sorgt sich vor allem darum, dass künftig alle Schuldendämme brechen könnten. Wer setzt im Euro-Raum noch Verschuldungsgrenzen, wenn jetzt der CDU-Chef Friedrich Merz sagt: „whatever it takes“. Also: Was immer es kostet. Holtemöller sieht gerade die Infrastrukturmaßnahmen für „überdimensioniert“. Er befürchtet, dass aufgrund von Knappheit bei Bauarbeitern und Material die Preise kräftig steigen werden. Das werden dann auch Unternehmen und Häuserbauer zu spüren bekommen.
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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne
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