MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 22. Mai 2025 Hohe Energiepreise: Selbst handeln, statt auf Politik zu warten
Weitere Themen: Bauingenieur leitet Weinbetrieb / Wenig Ostdeutsche in Top-Jobs / Abzocke bei Stromzählern / Rentner helfen Azubis / Merz ruft Dow-Führung an

der hohe Energieverbrauch wäre dem Ostthüringer Margarine-Hersteller Othüna fast zum Verhängnis geworden. Während des Höhepunktes der Energiepreiskrise im Jahr 2022 kündigte ein Energielieferant laut Firmenchef Thomas Schulz die Verträge. Über Nacht musste der Geschäftsführer neue Verträge abschließen: „Die Preise hatten sich verfünfzehnfacht.“
Schulz schloss nur für ein halbes Jahr ab und überlegte, wie er die Energierechnung wieder senken könnte. So schlug er den Gesellschaftern des Unternehmens – alle ehemalige Geschäftsführer – vor, Strom und Gas selbst über die Börse einzukaufen. „Die Eigner waren erstmal skeptisch, stimmten aber zu“, erzählt Schulz. So wurde aus dem Chef eines Nahrungsmittel-Herstellers auch ein Börsenhändler.

Der Firmensitz des 1902 gegründeten Margarine-Herstellers, der bekannte ostdeutsche Marken wie Sanna, Sonja und Goldina produziert, befindet sich am Fluss Elster, die Innenstadt Geras ist in Sichtweite. Durch das Erhitzen und Abkühlen von Pflanzenölen wird Margarine hergestellt – ein energieaufwändiger Prozess. Vor seinem Computerbildschirm hat Schulz mir erklärt, wie er täglich Strom einkauft. Damit werden mitunter deutlich die Kosten gesenkt, doch es ist sehr zeitaufwändig. Hier der komplette Bericht.
Othüna profitiert beim Strom- und Gaseinkauf von den inzwischen stark schwankenden Preisen im Großhandel. Durch die zunehmende Einspeisung von Solar- und Windstrom fluktuiert die angebotene Menge deutlich und damit auch die Preise. Extrem war die Situation Anfang Mai. Vom 6. bis zum 13. Mai rutschten die Preise täglich in den Mittagsstunden ins Negative. Das heißt, die Käufer bekommen noch Geld, wenn sie den Strom abnehmen.
Eine Extremsituation war Sonntag, der 11. Mai, zwischen 13 und 14 Uhr, als der Börsenpreis an der Leipziger Energiebörse EEX auf minus 25 Cent je Kilowattstunde abrutschte. Auch inklusive Steuern und Netzentgelten erhielten die Kunden bei der Abnahme Geld. Warum das so ist, darauf bin ich zuletzt in einem MZ-Text genauer eingegangen.

Auch Privatkunden können mit dynamischen Tarifen, wie sie etwa der regionale Energieversorger Envia-M anbietet, von den Preisschwankungen profitieren. „Die Kunden tragen aber auch das Risiko bei möglichen Hochpreisphasen“, sagte zuletzt Envia-M-Vorstand Patrick Kather. Vor allem für Hauseigentümer, die einen Batteriespeicher und ein E-Auto besitzen, könnten sich dynamische Tarife durchaus auszahlen.
Das Bundeskabinett wird nach den Worten der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche bis Mitte Juli ein erstes Entlastungspaket für Unternehmen auf den Weg bringen. Enthalten sein würden die Senkung der Stromsteuer und erste Reformen zum Arbeitsmarkt, sagte die CDU-Politikerin beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum in Bad Saarow. Zugleich kündigte Reiche an, dass der Bau von Gaskraftwerken als Reservekraftwerke forciert werden soll.
Mein Rat: Unternehmen und Bürger sollten nicht auf die Politik warten, um ihre Rechnungen zu senken. Unternehmen können dynamische Tarife oder auch einen Stromeinkauf im Ausland in Betracht ziehen. Private Kunden könnten die Installation von Balkonkraftwerken prüfen. Die Preise für kleine Solarmodule samt Batterie sind zuletzt um 30 bis 40 Prozent gefallen. Bei hohen Strompreisen in Deutschland insgesamt, kann der Einzelne seine Rechnung durchaus senken.
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Himmelfahrt pausiert der Newsletter, der nächste erscheint in zwei Wochen,herzlich Steffen Höhne
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