SLK: Die Woche im ganzen Salzland Wieso wir keinen Kaiser mehr, der Salzlandkreis aber einen neuen König hat
Zwei Abschiede im Seeland, eine doppelte Salzfee in Staßfurt, ein Eis, das (noch) nicht aus Schönebeck kommt, mehr Boote auf der Saale - und was sonst noch alles im Salzland passiert ist.

beginnen wir heute mal mit einer Quizfrage: Wissen Sie noch, was Sie vor 14 Jahren gemacht haben? Bevor Sie nachrechnen müssen: 2009, ein Jahr das im Zeichen der globalen Finanzkrise stand. Im Januar wurde Barack Obama als amerikanischer Präsident vereidigt. Am 4. April besiegte der VfL Wolfsburg Bayern München mit 5:1 (!) und wurde am Ende souverän Deutscher Meister (!!!). Aus heutiger Sicht: Was für ein seltsames Jahr...
Erinnerungen zum Abschied
Was Heidrun Meyer 2009 gemacht hat, weiß sie noch ganz genau: Sie wurde Bürgermeisterin der Stadt Seeland, die in eben diesem Jahr am 15. Juli als Zusammenschluss von Hoym mit Friedrichsaue, Frose, Nachterstedt und Schadeleben gegründet wurde (Gatersleben wurde später eingemeindet). Nur drei Tage später kam es am frühen Morgen des 18. Juli in Nachterstedt zum Abbruch eines etwa 350 Meter breiten Landstreifens in den südlichen Ausläufer des Concordia Sees. Ein zweistöckiges Einfamilienhaus, ein Teil eines Mehrfamilienhauses sowie ein Straßenabschnitt und eine Aussichtsplattform wurden mitgerissen - drei Menschen starben.

Dass Heidrun Meyer ausgerechnet in dieser Woche an diese Ereigneisse erinnert wurde, hatte einen Grund: Jetzt - 14 Jahre nach der Gründung, 14 Jahre nach der Katastrophe - gibt sie ihr Amt ab, Robert Käsebier übernimmt ab dem 29. Oktober. In dieser Woche wurde er schon mal vereidigt.
Welche Erinnerungen sie in den Ruhestand mitnehmen wird, fragte sie meine Kollegin Regine Lotzmann. Die Antwort: „Die zwei prägendsten Ereignisse waren für mich die Stadtgründung 2009 und der Erdrutsch am Concordia See nur wenige Tage später“, sagt die heute 66-Jährige. „Die Bewältigung der Katastrophe hat sich über Jahre hingezogen.“ Noch heute sind große Teile des Sees gesperrt - die touristischen Pläne der Region wurden für lange Zeit zunichte gemacht. Wie gesagt: 2009 war ein sehr seltsames Jahr...
Die Kunst: Sachlich und konstruktiv bleiben
Noch tiefer in unseren Erinnerungen müssten wir kramen, wenn wir uns auf die Spuren der Anfänge von Andreas Graner begeben würden. Schon 26 Jahre ist es nämlich her, dass der promovierte Biochemiker und Pflanzengenetiker zum Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung nach Gatersleben kam. 2007 (Für die, die gerne weiter raten wollen: Das erste iPhone kam auf den Markt.) wurde der Professor Leiter des Instituts.

Und auch er begann mit einer Katastrophe - mindestens aus Sicht der Forschung: Graner war kaum im Amt, als Gentechnikgegner Versuchsfelder mit gentechnisch verändertem Weizen zerstörten. Am Ende wurden die Täter freigesprochen. Obwohl diese Feldzerstörung extrem fassungslos gemacht habe, sagte Andreas Graner jetzt zum Abschied als Direktor meiner Kollegin Kerstin Beier, habe er immer versucht, sachlich und konstruktiv zu bleiben: „Es ist und bleibt unser Auftrag als Wissenschaftler, die Potenziale der grünen Gentechnik zu erforschen und zu kommunizieren.“
Merke: Sehr seltsam sind nicht nur einzelne Jahre. Seltsam ist auch, wie sich die Welt und ihre Debatten in den vergangenen 20 Jahren verändert haben.
Salzfee trifft Salzfeechen
Vom Abschied noch etwas entfernt ist Jenny Marnitz. Staßfurts Salzfee macht erst mal nur eine Pause. Nachdem sie das Amt 2018 übernommen hatte, wurde die Hoheit so etwas wie das Gesicht der Stadt. Ein Gesicht, das gerade erst im Fernsehen zu sehen war - bei „Grill den Henssler“ aus Magdeburg auf VOX.
Ein kleines bisschen Abschied gab es aber auch für Marnitz am vergangenen Wochenende beim Tag der Regionen in Staßfurt. Aus erfreulichem Anlass: Marnitz und ihr Freund erwarten im Januar eine Tochter. Und weil so etwas eine Familienangelegenheit ist, bleibt das auch die Salzfee: Jennys Schwester Amy, gerade einmal 14 Jahre alt, soll ab dem Winter und bis zum Frühjahr die Vertretung übernehmen. Als „Salzfeechen“ also, wie mein Kollege Enrico Joo es genannt hat.

Oder wir nenen es einfach die „doppelte Salzfee“. Egal wie, man darf sich sogar dreifach freuen: Mit Jenny über ihr Familienglück. Mit Amy, dass ihr Kindheitstraum schon in der frühen Jugend in Erfüllung geht. Und für Staßfurt, dass die beiden so eine charmante Lösung gefunden haben.
Ein Aufzug wird zum teuren Spaß
Weniger charmant ist die aktuelle Situation am Staßfurter Bahnhof. Dort war nämlich immer wieder der Aufzug kaputt, was viele ärgert. Obwohl ausgerechnet da gerade nicht, als mein Kollege Falk Rockmann vor Ort nachgesehen hat - natürlich nicht zum ersten Mal. Trotzdem ein teurer Spaß, wie er jetzt herausfand: Allein in den vergangenen Jahren kostete das Ganze die Stadt annähernd 100.000 Euro.

Offen gesagt: Ich persönlich kenne eigentlich nur Bahnhöfe, an denen der Aufzug ständig kaputt ist. Und welche, an denen es noch keinen gibt, was die Leute aber auch ärgert. Zugegeben: Vielleicht kenne ich aber auch einfach nur zu wenige Bahnhöfe.
Offene Türen, die es noch gar nicht gibt
Dinge, die es noch gar nicht gibt, die deshalb zwar nichts anderes, aber zumindest schon mal Schlagzeilen produzieren: Da gibt es noch andere. Und da muss ich gar nicht in die Ferne schweifen und an Intel denken. Ähnlich groß wie die Vorfreude in der Landeshauptstadt auf den Chip-Hersteller ist die in Schönebeck auf Florida Eis.

Der Eis-Hersteller, der sich in Berlin schon einen guten Namen gemacht hat, möchte in der Elbestadt ein Werk eröffnen und 2025 mit der Produktion beginnen. Aber diese Nachricht ist für Schönebeck so gut und die Vorfreude so groß, dass die Firma sich jetzt schon beim Tag der offenen Unternehmen am 7. Oktober teilnehmen darf, wie mein Kollege Stefan Demps berichtet. Auch wenn es eigentlich noch gar nichts zu öffnen gibt. Manchmal reicht aber eben schon ein Eis aus, um sich zu öffnen. Auch wenn es noch nicht aus Schönebeck kommt. Bei mir jedenfalls...
Gute Nachrichten vom Wasser
Ähnlich wie Schönebeck mit dem Eis geht es Bernburg mit dem Wasser: Die Vorfreude ist groß. Vorfreude auf ganz viel Wassertourismus - mit den Booten von Boris Funda und Co. auf der Saale. Und es werden immer mehr: In dieser Woche berichtete meine Kollegin Katharina Thormann, dass mit Locaboat ein weiteres Unternehmen mit seinen Hausbooten hierherkommt und sie im „Charterrevier Saale“ anbietet. Auf insgesamt sieben Boote wächst damit die Flotte an.

Fehlen also nur noch die versprochenen Bootsanleger zwischen Calbe und Könnern. Auch da gibt es allerdings gute Nachrichten: Alle Genehmigungen von der Unteren Wasserbehörde und Wasserstraßen- und Schiffahrtsamt Elbe liegen jetzt vor, sagt der Salzlandkreis auf Nachfrage. Es kann also bald losgehen. Na, dann kann der nächste Sommer ja kommen.
Vom großen Kaiserreich bis zum kleinen König
Womit sich der Kreis schließt: von der Vorfreude zum Blick zurück. Und wir wieder am Anfang wären. In diesem Fall bei Marianne Märker, der aktuell ältesten Bewohnerin des Salzlandkreises, die in dieser Woche 105 Jahre alt wurde. Am 27. September 1918 wurde sie in Zerbst geboren - da tobte noch der Erste Weltkrieg.

Ein beeindruckender Lebensweg - mit vielen Abschieden unterwegs. Vor allem wenn er wie im Fall von Marianne Märker bis heute noch mit so viel Lebensfreude verbunden ist - um nicht zu sagen: verbunden sein darf.
Gerade in Zeiten, in denen sich mancher von vielen schönen Gewohnheiten verabschieden muss, gibt einem so eine lange Lebensgeschichte - vom Kaiserreich durch die Nazi-Zeit über die DDR hinweg bis hinein in die jetzt auch schon seit 33 Jahren vereinigte Bundesrepublik - ein ganz anderes Gefühl für Zeit und Raum. Und für Lebensfreude gegen alle äußeren Einflüsse.
Und dass das auch nach vorne funktioniert, zeigt ein Blick auf den Kreisvorlesewettbewerb. Da hat sich nämlich in dieser Woche in der Kreisbibliothek in Aschersleben der Schönebecker Augustin Golling die Krone gesichert - zwar nicht die eines Kaisers, aber zumindest die als Lesekönig im Salzlandkreis. Im November startet er nun auf Landesebene. Hoffentlich lässt er sich nicht ablenken - von äußeren Einflüssen.
Mein Bild der Woche
Mein Bild ist in dieser Woche kein Foto, aber trotzdem ein Hingucker. Gezeichnet hat es Steffen Kuche, der einmal im Monat für unsere Redaktion in Bernburg ein aktuelles Thema mit einer Zeichnung auf die Spitze treibt. Dieses Mal war es - wen wundert es - eines, das gerade alle im Salzland umtreibt: Der Bildungsnotstand im Allgemeinen, konkret der Lehrermangel.

Kuche glaubt an die Selbstheilungskräfte der Gesellschaft: an Oma Hannelore und an Sturms Erika. Ich muss sagen: Ich habe mich bei der Vorstellung köstlich amüsiert. Und doch: So einfach würde ich die Bildungspolitik nun mal lieber doch nicht aus der Verantwortung für das aktuelle Versagen entkommen lassen...
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Wohin am Wochenende?
Da gibt es viel, was für Sie auf dem Programm stehen könnte. Wenn Ihnen gar nichts anderes einfällt, könnten Sie heute auch etwas machen, was ich selbst in der vergangenen Woche mal für Sie ausprobiert habe: den Besuch bei den „Freunden der Staßfurter Rundfunk- und Fernsehtechnik“.
Die feiern gerade mit Sonderöffnungszeiten ihrer Ausstellung an der Löderburger Straße 73 in Staßfurt 100 Jahre Rundfunkgeschichte, die auch 100 Jahre Geschichte für Staßfurt bedeuten. Zum Auftakt hatten sie unter anderem einen der Entwickler des ersten DDR-Farbfernsehers von 1969 zu Gast.

Noch bis in den November hinein öffnet das Museum zusätzlich immer samstags von 10 bis 16 Uhr. Es ist nicht nur ein Ausflug in die Staßfurter Rundfunkgeschichte. Der Vorsitzende Jürgen Hofmann, sein Vorgänger Franz Korsch und all die anderen Mitglieder wissen eine ganze Menge, nicht nur über die alten Geräte, sondern auch darüber, wie sie funktionieren. Physik-Unterricht für Anfänger also.
Anfänger wie mich - muss ich inzwischen tatsächlich zugeben. Allerdings einer, der mit den alten Geräten zumindest noch Erinnerungen verbindet. Als ich nämlich am vergangenen Samstag mit Jürgen Hofmann vor den alten Radios stand und er mir erklärte, dass es damals in den 60er und 70er Jahren zum Beispiel zwischen West und Ost viel weniger Unterschiede gab als man denken könnte, wenn man wollen würde - weder im Design noch in der Technik -, fiel es mir plötzlich wieder ein: Da steht doch noch genau so ein Gerät auf meinem Speicher. Dass es noch läuft, da machte mir Hofmann kaum Hoffnung. Die Kondensatoren, Sie wissen...

Trotzdem: Während Sie in Staßfurt eventuell gerade in Rundfunk-Erinnerungen schwelgen, werde ich heute vielleicht doch noch mal auf den Speicher klettern. Und ganz genau nachsehen, ob auf meinem Empfänger damals auch „Bratislava“ zu empfangen war...
Ob mit oder ohne Rundfunkgeschichte: Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall ein wunderschönes Wochenende. Vielleicht sogar dieses Mal ein besonders langes, weil da - Sie erinnern sich - vor 33 Jahren ja etwas passiert ist.
Aber keine Angst: Das ist jetzt keine Quiz-Frage. Die wäre ja auch viel zu einfach. Wir sind ja nicht beim Radio oder beim Fernsehen.
Ihr Frank Klemmer