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Zoll in Sachsen-Anhalt  Zoll in Sachsen-Anhalt : Warnung vor der Diesel-Mafia

Von Ralf Böhme 29.02.2016, 18:25
Laut Zollfahndern ist Sachsen-Anhalt ein Knotenpunkt im illegalen europäischen Mineralöl-Netzwerk.
Laut Zollfahndern ist Sachsen-Anhalt ein Knotenpunkt im illegalen europäischen Mineralöl-Netzwerk. DPA

Bonn/Magdeburg - Der Zoll schlägt Alarm. Sachsen-Anhalt gehört nach Erkenntnissen der Generalzolldirektion (GZD) in Bonn zu den bevorzugten Handelsplätzen für internationale Betrügerbanden. Damit sei das Land neben Berlin und Brandenburg bundesweit auch zu einem Schwerpunkt für die Arbeit der Zollfahndung gegen die organisierte Kriminalität geworden.

Als markantesten Fall führt die GZD die Aufdeckung einer groß angelegten Steuerhinterziehung in Burg (Jerichower Land) an. Der angerichtete Schaden durch gepanschten Diesel gilt als ein Rekord in der Geschichte der deutschen Zollfahndung und beläuft sich nach vorläufigen Angaben auf 97 Millionen Euro. Über 120 Millionen Euro des erzielten betrügerischen Umsatzes in Höhe von insgesamt rund 150 Millionen Euro sollen mittels Bargeld bezahlt worden sein. Zwei Hauptbeschuldigte sitzen in Untersuchungshaft.

„Ein größeres Verfahren hat es in diesem Segment noch nicht gegeben“, sagte Wolfgang Schmitz, Pressesprecher der Generalzolldirektion gegenüber der MZ. Die Schadenssumme liege weit über allen anderen vergleichbaren Delikten in der Vergangenheit. So hätten Dieselpanscher im Jahr 2012 bundesweit nachweislich Steuern im Umfang von 19 Millionen Euro unterschlagen, in den beiden Folgejahren sei es um jeweils 21 und 18 Millionen Euro gegangen. Weitere und neue Zahlen werde der Bundesfinanzminister mit der Zollbilanz 2015 Anfang April präsentieren, so der Sprecher.

Sachsen-Anhalt spielt in den jährlich etwa 80 Ermittlungsverfahren, die der Zoll wegen „zweckwidriger Verwendung von Mineralöl“ einleitet, überdurchschnittlich oft eine Rolle. Mehr als andere Bundesländer sei Sachsen-Anhalt nach Erkenntnissen des Zolls ein Knotenpunkt in Netzwerken, die Straftäter mit großen Gewinnabsichten europaweit geknüpft hätten. Das liegt nach den Worten von Wolfgang Schmitz nicht zuletzt an der günstigen Verkehrslage des Landes. So würden die kriminellen Händler ihre Transportkosten niedrig halten können - umso mehr, da gepanschtes Mineralöl meistens nach Ost- und Südeuropa gehe. Dort seien die nach dem Vorbild der Mafia organisierten Banden auf weitere illegale Steuervorteile aus.

Spuren der Dieselpanscher führen laut Schmitz aber auch nach Österreich und in die Schweiz. Aus diesem Grund sei den Fahndern eine verstärkte Zusammenarbeit mit den dortigen Zollbehörden wichtiger denn je. Entsprechende Vereinbarungen gebe es seit neuestem. In diesem Informationstausch würden nun auch die Erfahrungen aus Sachsen-Anhalt einfließen. Sie zeigen laut Zoll deutlich, wie gezielt die Steuerbetrüger-Mafia nach Schlupflöchern im Gesetzeswerk suche und dazu konspirative, teils konzernartige Strukturen aufbaue.

Dafür bietet der aufgedeckte Umschlagplatz Burg ein exemplarisches Beispiel. Ein erster Prozess gegen polnische Dieselpanscher, die dort 2010 und 2011 Diesel als steuerbefreiten Bio-Diesel gelagert und verkauft haben sollen, findet gerade am Landbericht Magdeburg statt. Weitere könnten laut GZD folgen. Angeklagt sind zunächst eine Geschäftsführerin und mehrere Mitarbeiter eines inzwischen nicht mehr aktiven Unternehmens.

Die Bande soll den deutschen Fiskus um rund sieben Millionen Euro geprellt haben. Dazu soll sie geschäftliche Beziehungen zu mehr als 50 Partnern im Ausland unterhalten haben. Allerdings geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Hintermänner des Deals noch auf freiem Fuß sind. (mz)