Wenn der Wolf tötet Wolfsattacken: War's wirklich der Wolf?: Bauern steht ein Ausgleich zu aber wie nachweisen?

Magdeburg - Am Weihnachtsmorgen fand Joachim Schulz sein Kalb tot auf der Weide. Ein Ohr fehlte, an der Kehle waren Bissspuren und der Schwanz war offenbar von einem Raubtier abgerissen worden. Weil auch der Bauch des Kalbs aufgebissen war, griff der Landwirt zum Telefon. Sein Verdacht: Wolfsangriff in der Altmark.
Das war im Jahr 2013. Seitdem ist in Sachsen-Anhalt viel über Wölfe geschrieben und geredet worden. Eine wichtige Erkenntnis für Landwirte wie Schulz: Die Zahl der Angriffe auf Nutztiere - wie damals in der Altmark - nimmt zu. 44 Wolfsattacken auf Herden zählte das Umweltministerium allein vergangenes Jahr. 135 Tiere kamen dabei zu Tode. Doppelt so viele wie im Vorjahr, so das Ministerium.
Streit um Entschädigung für Wolfsopfer: Landwirt zieht den Kürzeren
Da Landwirte mit diesen Schäden nicht allein gelassen werden sollen, ist das Land zu Ausgleichszahlungen verpflichtet, wenn Nutztiere Wolfsopfer werden. Doch wie schwer der Nachweis in der Praxis ist - und wie schwer es für Bauern sein kann, Geld zu bekommen - zeigt der Fall Schulz. Er verklagte das Landesverwaltungsamt auf 950 Euro Entschädigung, weil die Zahlung bislang verweigert wurde. Am Mittwoch unterlag er am Verwaltungsgericht Magdeburg.
In der Praxis gilt die Regel: Solange ein Landwirt die Tiere sachgemäß schützt, sind Ausgleichszahlungen möglich. Und zwar dann, wenn ein Wolfsangriff per DNS nachgewiesen ist oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, so das Umweltministerium. Und Schulz war sich sicher, dass es ein Wolf war, der am 24. Dezember 2013 seine Herde angriff. Auch deswegen, weil eine am selben Tag verständigte Expertin vor Ort eine Wolfsattacke nicht ausschloss. Die Zeugin sagte am Dienstag, dass die starken Verletzungen des toten Kalbs der Grund dafür gewesen seien - vor allem der aufgerissene Bauch.
Allerdings hatte die Biologin auf der Weide auch festgestellt, dass die Kehle nicht zerbissen war. Was im Falle eines Wolfsangriffs ungewöhnlich wäre. „Der Wolf hinterlässt richtige Löcher, wir haben nur Hämatome an der Kehle gefunden“, sagte sie. „Bei Wolfsbissen, da geht richtig was kaputt.“ Zudem hätten sich keine typischen Schleifspuren um das tote Tier gefunden, die Wölfe hinterlassen, wenn sie ihre Opfer post mortem bewegen.
Eingehend untersucht wurde das tote Kalb wenige Tage darauf im Landesamt für Verbraucherschutz in Stendal. Hier die endgültige Erkenntnis: „Ein Kehlenbiss konnte nicht festgestellt werden.“ Dieses Gutachten stellte damals ein Fachmann aus, der heute im neueingerichteten Wolfskompetenz-Zentrum in Iden (Altmarkkreis Salzwedel) arbeitet. Noch bestimmter sagte er am Dienstag vor Gericht: „Ich habe nichts gefunden, das auf einen Wolf als Verursacher hinweist.“ Genetisches Material, das in Stendal untersucht worden sei, habe ebenfalls keinen Beleg für einen Wolfsangriff geliefert.
Richter weist Klage ab: Gericht bringt Kalb und Wolf nicht zusammen
Erklärungen, die den Landwirt Schulz am Dienstag auf die Palme brachten. Selbstverständlich sei es möglich, dass ein Wolf töten könne, ohne die Kehle zu zerbeißen. Und er kritisierte, das Gutachten in Stendal sei eher mit zu wenig als zu viel Aufwand angefertigt worden. So habe lediglich ein einziger Mitarbeiter das Kalb untersucht. Ob es damals tatsächlich so war, blieb vor Gericht auch nach der Befragung der Zeugen offen. Angesichts der vorliegenden Fakten sah das Landesverwaltungsamt auch am Dienstag keinen Grund für Zahlungen an den Landwirt.
Die Entschädigung bekam Schulz auch vom Gericht nicht zugesprochen. Den Tod des Kalbs und einen Angriff durch einen Wolf? Die Kammer sah nach den Befragungen keine Möglichkeit, beides zueinander zu bringen. Richter Albrecht Köhler hatte aber während der Verhandlungen eingeräumt: „Dieser Fall ist sicher nicht geeignet, die Wolfsproblematik in Sachsen-Anhalt zu klären. Aber wir sehen, wie schwer es im Einzelfall ist, den Nachweis zu führen.“ (mz)