Energiekrise Überschuss statt Mangel: Mitteldeutsche Braunkohle-Kraftwerke fahren runter
Wegen viel Windstrom pausiert Mitteldeutschlands größtes Braunkohlekraftwerk in Lippendorf. In Schkopau läuft nur ein Block. Welche Auswirkungen das hat.

Halle/MZ - In der Bundespolitik ist zuletzt über ein Energie-Thema hart gestritten worden: Strom- und Gasknappheit. Ist aufgrund der Abschaltung von Atommeilern und teurem Erdgas die Versorgung gefährdet? Droht gar ein Blackout? Aktuell nicht. Die getroffenen Maßnahmen führen sogar dazu, dass es einen Energieüberschuss gibt und Mitteldeutschlands größter Stromerzeuger, das sächsische Braunkohlekraftwerk Lippendorf, vorübergehend abgeschaltet wurde. Die „Leipziger Volkszeitung“ berichtete zuerst darüber.
Nach Angaben des Kraftwerksbetreibers Leag wurden am 28. Dezember beide Kraftwerksblöcke vorübergehend vom Netz genommen. „Nach den Weihnachtsfeiertagen ist die Stromnachfrage aus der Industrie sehr gering“, sagt Sprecher Thoralf Schirmer der MZ. Zudem gebe es aufgrund der Wetterlage viel Windstrom im Netz. Das habe auch zu sinkenden Strompreisen geführt. Die Energieversorger Leag und EnBW, die jeweils einen Kraftwerksblock betreiben, haben daher die Anlagen heruntergefahren. Zu Neujahr fuhr die Leag zwar einen Block wieder hoch, doch seit 4. Januar pausiert auch dieser wieder. Dem Klima hilft es etwas: Das Kraftwerk gehört laut der Organisation Transport & Environment zu den zehn größten CO2-Emittenten Europas.
Die Braunkohle wird aus dem Energiemix verdrängt
Dass Kohlekraftwerke zeitweise heruntergefahren werden, gab es in der Vergangenheit schon öfters. In Lippendorf war bisher aber meist nur ein Block betroffen. Das hängt mit den Regeln am Strommarkt und physikalischen Gesetzmäßigkeiten zusammen. Generell gilt: Erzeugung und Verbrauch müssen sich ausgleichen. Erneuerbare Energien haben in der Einspeisung gesetzlich Vorrang. Am Freitagvormittag hatten allein Windräder in Deutschland sowie in Nord- und Ostsee eine Erzeugungsleistung von 41.819 Megawattstunden (siehe Grafik). Der Verbrauch lag laut Bundesnetzagentur in Deutschland bei knapp 70.000 Megawattstunden. Das heißt, allein die Windkraftanlagen lieferten fast 60 Prozent des benötigten Stroms. Hätte am Freitag auch noch die Sonne mehr geschienen, dann wären noch mehr konventionelle Anlagen aus dem Markt gedrängt worden.

Auch das Braunkohlekraftwerk in Schkopau (Saalekreis) hat einen von zwei Erzeugungsblöcken nicht in Betrieb. Der andere Block läuft laut Firmensprecher Michael Rost „im Normalbetrieb“. Dieser versorgt weiter private Haushalte und die Deutsche Bahn mit Strom sowie den Chemiepark Schkopau mit Prozesswärme.
Auf den Braunkohleförderer Mibrag aus Zeitz (Burgenlandkreis), der aus den Tagebauen Profen und Vereinigtes Schleenhain die Kohle liefert, hat die Abstellung noch keine Auswirkung. „Unser Drei-Schicht-Betrieb läuft weiter“, sagt Sprecher Sebastian Exner der MZ. Statt Braunkohle werde aktuell mehr Abraum (Deckschicht aus Erde) abgetragen und aufgeschüttet. Das müsse sowieso gemacht werden. Zudem werde die geförderte Kohle auf großen Plätzen gelagert. Die Mibrag geht davon aus, dass beim nächsten Wetterumschwung die Kohlekraftwerke wieder voll arbeiten.
Dass aktuell die mitteldeutschen Braunkohlekraftwerke nicht oder nur teilweise arbeiten, hängt aber auch mit politischen Entscheidungen zusammen. Spätestens Mitte April 2023 sollen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Die Bundesregierung hat daher erlaubt, alte Steinkohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen beziehungsweise länger laufen zu lassen. Diese Kraftwerke konkurrieren am Markt nun auch mit Lippendorf und Schkopau. Zudem sollte wenig knappes und teures Erdgas verstromt werden, doch die Preise sind wieder gefallen.
Wärend der Dunkelflaute im Dezember 2022 liefen die Kohlekraftwerke auf Hochtouren.
Dass es in Deutschland durchaus zu Stromengpässen kommen kann, hat aber die Situation am 12. Dezember 2022 gezeigt. Vor einem Monat war es bundesweit trüb und windstill. Fachleute sprechen von einer Dunkelflaute. Die Windräder lieferten nur knapp 5.000 Megawattstunden und die Solaranlagen 3.000 Megawattstunden. Die Braunkohlekraftwerke liefen dagegen auf Hochtouren und erzeugten laut Bundesnetzagentur 16.000 Megawattstunden. Mibrag-Sprecher Exner sagt daher auch: „In solchen Situationen werden konventionelle Energien dringend benötigt.“ Aktuell gebe es noch keine großen Stromspeicher, um solche Situationen zu überbrücken. Viele Experten sehen grünen Wasserstoff, der aus Wind- und Solarstrom erzeugt wird, als künftigen Energiespeicher.