Auf dem Weg zur deutschen Einheit Von wegen 1 zu 1: Am Anfang der D-Mark steht ein Milliardenschwindel
Vor 35 Jahren wird die Währungsunion verkündet. Millionen DDR-Bürger sind erleichtert, obwohl sie Milliarden Mark auf einen Schlag verlieren.

Halle(MZ. - Die Überschrift, auf die sich DDR-Verhandlungsführer Günther Krause und sein Bonner Partner Wolfgang Schäuble nach vier Wochen nervenzehrender Gespräche geeinigt haben, erfüllt die bangen Erwartungen von Millionen. 1 zu 1 würden Löhne, Gehälter und Sparguthaben der DDR-Bürger bei der anvisierten Währungsunion von DDR-Mark in Westmark umgetauscht, verkünden die beiden Christdemokraten Anfang Mai vor 35 Jahren stolz.
Erleichterung nach der Angst
Der Vorschlag der Bundesbank, ein Tauschverhältnis von zwei Ostmark zu einer D-Mark zu nutzen, um damit die Wettbewerbsfähigkeit des Ostens zu stärken, ist vom Tisch. Und die Erleichterung groß bei allen, die Angst um ihr bisschen vom niedrigen DDR-Lohn mühsam Erspartes hatten. Anfang Juli werde das neue Geld kommen. Auch weltpolitisch ein bedeutsamer Moment: Während die beiden deutschen Staaten noch mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges um die Wiedervereinigung verhandeln, nimmt die Währungsunion die Rückkehr zu einem deutschen Staat schon vorweg.
Und das zu Kosten, die für den Bundeshaushalt überschaubar bleiben. Um gerade einmal 120 Milliarden D-Mark muss die in Deutschland kursierende Geldmenge ausgeweitet werden, um das Gesamtvermögen der Ostdeutschen nach 40 Jahren DDR zu Westgeld zu machen. Gemessen an den 2,6 Billionen D-Mark Rücklagen der Bundesbürger in Kleckerbetrag.
Verantwortlich dafür ist das Kleingedruckte unter der „1 zu 1“-Überschrift, mit der die Währungsunion von beiden deutschen Regierungen verkauft wird. Von einem Tauschverhältnis 1 zu 1 kann nämlich eigentlich überhaupt nicht die Rede sein. Für Kinder unter 14 gilt das Angebot nur für Beträge bis zu 2.000 DDR-Mark, 15- bis 59-Jährige dürfen 4.000 DDR-Mark so tauschen und alle älteren 6.000. Beträge darüber werden im Verhältnis 2:1 umgestellt. Alle Guthaben, die erst nach dem 31. Dezember 1989 entstanden sind, werden sogar zu zwei Dritteln abgewertet.
Ein geschickter Schachzug
Ein aus der Sicht der Politik geschickter Schachzug, der letztlich rund 60 Milliarden D-Mark spart. Das wahre Umtauschverhältnis habe nicht bei 1 zu 1, sondern bei genau 1:1,81 gelegen, hat der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel Jahre später eingeräumt. Damit lag es näher an dem von den Bundesbankern vorgeschlagenen Tausch von zwei DDR-Mark gegen eine D-Mark als am offiziell verkündeten 1-1-Kurs.
Dass die Abwertung aller Vermögen, die höher als 4000 bis 6000 DDR-Mark betragen, nicht zu Massenprotesten führt, liegt am hohen Maß an Ungleichheit, mit der der Reichtum auch in der die DDR verteilt ist, Wie in der Bundesrepublik verfügen auch im vermeintlich gerechteren sozialistischen Staat nur etwa zehn Prozent der Konteninhaber über 60 Prozent des gesamten Geldvermögens. Nur diese Minderheit wird von der Regelung hart getroffen.