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Verzockt mit Derivaten Verzockt mit Derivaten: Behörden sollen Zinswetten der Kommunen prüfen

16.06.2018, 06:00

Magdeburg - Der Verdacht auf millionenschwere Verluste durch verbotene Finanzmarktgeschäfte in den Kommunen Sachsen-Anhalts beschäftigt schon Landesrechnungshof und Innenministerium - jetzt will die AfD die Aufklärung in den Landtag tragen: Der geplante Untersuchungsausschuss zu riskanten Zinswetten soll aus Sicht der Oppositions-Fraktion zunächst drei konkrete Verdachtsfälle aufklären.

Das Gremium solle sich erst mit den Vorgängen in den Abwasserzweckverbänden in Bad Dürrenberg, Köthen sowie Saale-Fuhne-Ziethe in Bernburg beschäftigen, sagte der finanzpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Robert Farle, am Freitag im Landtag. Anschließend solle die Untersuchung auf weitere Kommunen ausgeweitet und auch die Rolle der Prüfinstanzen beleuchtet werden.

Verstießen Derivatsgeschäfte gegen das Spekulationsverbot?

„Wir stehen erst am Beginn und zu sehen ist erst die Spitze des Eisbergs“, sagte Farle. Doch Abgeordnete anderer Fraktionen stellen die Frage nach dem Sinn eines Untersuchungsausschusses. Es wäre der dritte in dieser Wahlperiode. Die AfD will den U-Ausschuss bei der Landtagssitzung kommenden Donnerstag beantragen. Ab Oktober soll er arbeiten.

Die Fraktion verfügt aus eigener Kraft über die dafür nötigen Stimmen. Hintergrund ist eine Prüfung des Landesrechnungshofs. Die Experten listeten nach einer Prüfung von drei Landkreisen, zwölf Städten und 25 Abwasserverbänden bereits 267 Derivategeschäfte auf. Die sehr komplexen Finanzinstrumente können zur Absicherung von Kreditgeschäften erlaubt sein.

Wenn sie unabhängig davon abgeschlossen werden, verstoßen die Zinswetten jedoch gegen das Spekulationsverbot für Kommunen. Wie viele Zweckverbände und Kommunen tatsächlich mit Derivaten zockten, muss der Landesrechnungshof in langwierigen Prüfungen noch herausfinden.

Verluste gehen in die Millionen

Nach bisherigen Erkenntnissen dürften sich die Verluste jedoch im hohen zweistelligen oder niedrigen dreistelligen Millionenbereich bewegen, sagte Rechnungshof-Präsident Kay Barthel am Freitag. Seine Behörde habe derzeit auffällige Geschäfte bei fünf Abwasserzweckverbänden und drei Kommunen im Visier, die nacheinander abgearbeitet würden. Bekannt ist bereits: Der Zweckverband in Bad Dürrenberg machte mit den Spekulationen vier Millionen Euro Verlust. Zudem steht die Frage im Raum, ob und in welcher Höhe die Summen in betroffenen Verbänden auf die Beitragszahler umgelegt wurden.

In einem halben Jahr will Barthel einen Grundsatzbericht zu den aktuellen Ermittlungen veröffentlichen - und damit auch dem Landtag zur Verfügung stellen. Wie kann dann ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung beitragen?

Er sei davon überzeugt, dass der Rechnungshof mehr Prüfmöglichkeiten habe als der U-Ausschuss, räumte auch der AfD-Abgeordnete Farle ein. Aber seine Fraktion wolle, dass alle Vorfälle in der Öffentlichkeit des Gremiums aufgeklärt würden. „Wir müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.“

Genehmigungspflicht für Derivatsgeschäfte soll kommen

Die Linken-Finanzexpertin Kristin Heiß sagte, ein U-Ausschuss ergebe daher auch wenig Sinn. „Wir würden eine Paralleluntersuchung starten, die Jahre dauern würde“, sagte sie am Freitag. Hinzu komme, dass der Landesrechnungshof mit seinem Expertenwissen die Vorgänge deutlich besser prüfen könne als das Parlament - und bereits an politischen Lösungen gearbeitet werde.

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe Anfang Mai unter anderem bereits angekündigt, dass künftig eine Genehmigungspflicht für alle Derivategeschäfte gelten solle. Zudem forderte das Land bei allen kleineren Kommunen Informationen an, ob sie ebenfalls Derivategeschäfte getätigt haben. Die Liste soll Ende Juni vorliegen, wie das Ministerium am Freitag mitteilte. (dpa)