Verschollene Gemälde in Poltawa Verschollene Gemälde in Poltawa: Anhalt-Prinz fordert Raubkunst aus Dessau zurück

Dessau-Rosslau - Nach der überraschenden Entdeckung von sechs Kunstwerken aus dem Erbe des Anhaltischen Fürstenhauses in einem Museum der ukrainischen Stadt Poltawa fordert das Familienoberhaupt Eduard Prinz von Anhalt nun seinen Besitz zurück.
Der 73-Jährige, der in Ballenstedt (Landkreis Harz) geboren wurde, appellierte an die Politik, die Frage der Beutekunst bei der ukrainischen Regierung auf die Tagesordnung zu setzen. Die anhaltischen Fürstenbildnisse unter den Kunstwerken, wovon fünf im Museum von Poltawa ausgestellt sind, nannte er ein für die Familie, Sachsen-Anhalt und ganz Deutschland bedeutsames Kulturgut. „Es sind die Vorfahren unserer heutigen Zeit“, sagt der Prinz.
Er verwies auf die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine und die vielfache Unterstützung Deutschlands für das Land in der Krise. „Nun kann die Ukraine auch einmal etwas für uns tun“, sagte er. In der Frage der rechtlichen Situation des Kulturguts verwies er auf die Haager Landkriegsordnung, die die Beschlagnahmung von Kunstgegenständen in besetzten Ländern untersagt.
Aufgetauchte Bilder "nur die Spitze des Eisbergs"
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg würde eine Aufklärung des Falles begrüßen. „Das ist allerdings ein vielschichtiges Thema. Auf politischer Ebene gibt es immer wieder Rückführungsverhandlungen“, so Zentrums-Leiter Michael Franz. Diese Verhandlungen führt das Auswärtige Amt in Berlin, wo man sich zum Thema Beutekunst und Ukraine schmallippig gibt: Die Rückgabevoraussetzungen würden im Dialog jeweils gegenstandsbezogen verhandelt und können unterschiedlichen Rahmenbedingungen unterliegen, hieß es dort. „Eine deutsch-ukrainische Kommission befasst sich mit dem Thema. Seit Beginn der Verhandlungen sind regelmäßig wechselseitige Rückgaben erfolgt“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Einen Austausch von Kunstgegenständen mit der Ukraine gibt es seit 1993, wann sich die zuständige Kommission wieder zusammensetzt, ist noch unklar. Nach MZ-Informationen könnten sich die Experten in diesem Herbst wieder treffen, um unter anderem auch über private Gegenstände, wie die der Familie von Anhalt, zu beraten.
Die jetzt in Poltawa aufgetauchten Bilder seien sogar „nur die Spitze des Eisbergs“, so Eduard Prinz von Anhalt. „Weit über 2.000?Kunstgegenstände“ aus dem Besitz des Hauses Anhalt seien 1946 abtransportiert worden, vermutlich alle in die Ukraine, darunter Werke von Dürer und Holbein, der Kronschatz des Hauses Anhalt, die Münzsammlungen und vieles mehr. Er geht davon aus, dass das verschollene anhaltische Kunstgut nicht nur in Poltawa, sondern auch in Kiew und anderen Städten lagert?- das meiste davon in Depots. Dort sei das Kunstgut nicht nur verborgen, „es ist vielmehr zu befürchten, dass es vermodert.“ Auch wenn in der Ukraine wie in Russland das Kunstgut als Wiedergutmachung für im Zweiten Weltkrieg vernichtete oder verlorene eigene Werke angesehen werde, so gebe das niemandem das Recht, die geraubten Kunstwerke der Zerstörung preiszugeben, so der Prinz weiter. Er schlug vor, dass deutsche und internationale Spezialisten die Museen besuchen und die Kunstwerke sichten sollten. „Es müsste doch im Interesse von Kunstfreunden überall sein, dass solche Werte nicht untergehen.“ (mz)

