Unwetter Unwetter: Aus dem Gröbsten heraus
Peissen/Biendorf/MZ. - Das kaffeepottgroße Hagelkorn hat Matthias Kunze noch im Tiefkühlfach. Immer wieder mal wird das Geschoss, das am 11. September 2011 vom Himmel kam, Besuchern präsentiert. Heute sitzen Kunze und seine Frau Doreen unter dem Kunststoff-Vordach auf dem Hof ihres Hauses in Peißen bei Bernburg. Es zeigt noch immer Spuren des Unwetters. Anderes war wichtiger: das Hausdach. Anfang Dezember war es neu gedeckt, inklusive Eigenleistung. "Ich habe drei Wochen Urlaub genommen", sagt Kunze. Nach anfänglichem Chaos hätten auch Zahlungen der Versicherung funktioniert. Neben Details steht nun noch die Sanierung eines Zimmers aus.
Es hat sich sichtbar etwas getan in den vom Unwetter betroffenen Orten im Salzlandkreis. "Im Großen und Ganzen sind die Schäden beseitigt", sagt Bernburgs Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos). Wer heute durch Peißen fährt, sieht etliche neu gedeckte Dächer. Er sieht aber auch noch Löcher in Fassaden, abgedeckte Schuppen, leer stehende Häuser, an denen sich nichts getan hat, ab und an Baugerüste. Der Stadt, so Schütze, sind damals nicht nur 300 000 Euro Kosten für Beräumung, erste Sicherungsmaßnahmen und Einsatzkosten für Feuerwehren entstanden. Auch 50 kommunale Gebäude waren betroffen. Was mit den ungenutzten, zum Teil unterversicherten darunter geschieht, werde nun beraten.
Bei der Öffentlichen Versicherung Sachsen-Anhalt (ÖSA) haben die Unwetter 2011 für die höchste Schadensbilanz seit 20 Jahren gesorgt. Vier Fünftel der Schäden vom 11. September, so Sprecher Wolfgang Kirkamm, hat sein Haus bis jetzt reguliert. Offen seien Beträge für Arbeiten an Fassaden oder Vorgärten, die erst jetzt erfolgen. Allein durch den Hagelsturm im Süden kamen auf die ÖSA Schäden in Höhe von 20,2 Millionen Euro zu. "Der Unterschied zum Orkan Kyrill war gewaltig", so Kirkamm. Im Unwettergebiet hat die ÖSA einen Marktanteil von zehn Prozent der Gebäudeversicherungen. Die Allianz spricht heute von über 90 Prozent vollständig regulierten Schäden. Eine niedrige dreistellige Millionensumme sei gezahlt worden, mit einem zweistelligen Millionenbetrag wird noch gerechnet.
Die Erfahrungen mit Versicherungen, nicht zuletzt denen neben ÖSA und Allianz, sind bis heute sehr unterschiedlich. Ein Teil der Peißener sagt wie Udo Eckhardt, keine Probleme gehabt zu haben. Reinhard Frenzel dagegen ist noch sauer. Zwar zahlte die Hausratsversicherung, "meine Gebäudeversicherung war aber alles andere als kooperativ", sagt er. Nachdem er sich bei der Versicherungsaufsicht beschwert und einen Anwalt eingeschaltet hatte, wurde ein Vergleich geschlossen: 65 000 Euro seien gezahlt worden, bei rund 80 000 habe sein Schaden gelegen. Nicht mitgerechnet der Verdienstausfall für seine Firma. "Das war ein langer Kampf", sagt Frenzel, "ein halbes Jahr verlorene Lebensqualität". Nun ist das Haus repariert. Offen sind Glasschäden oder das Dach eines unversicherten Anbaus. Das will er noch erneuern, "manche Delle werde ich aber wohl bis an mein Lebensende sehen." Die Versicherung hat Frenzel gewechselt.
Auch in Biendorf sind noch Arbeiten im Gange. Bei Eckhard Cuber sind Dachdecker angerückt - die Familie hat gewartet, bis ihre Stammfirma Zeit hat. Versicherungsfragen: Sind bis auf einen kleinen Clinch beim Hausrat geklärt - bei der Gebäudeversicherung aber erst mit einem zweiten Gutachter. "Auf die kam es an."
Und manchmal, da lief es am Ende entspannter als gedacht. Bei Erhard Garn hat sich die Versicherung für anfangs unnötige Bürokratie entschuldigt. Größere Probleme gab es dann nicht mehr, sagt er. "In manchem musste man sich halt belehren lassen." Dass der kaputte Zaun nicht versichert war oder der Pool. Ein, zwei Jahre, so Garn, wird es dauern, bis inklusive Nebengelass alles beim alten ist.