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Tiere in der Stadt Tiere in der Stadt: Katzen-Kastration in Eisleben bald Pflicht?

Von Katrin Löwe 30.10.2013, 06:47
In Eisleben soll eine Kastrationspflicht für frei laufende Katzen eingeführt werden.
In Eisleben soll eine Kastrationspflicht für frei laufende Katzen eingeführt werden. dpa/archiv Lizenz

Halle (Saale)/Eisleben/MZ - Jetzt im Herbst ist es wieder so weit. Ohnehin bis zur Grenze ausgelastete Tierheime werden wie schon im Frühjahr mit jungen Katzen überschwemmt. 30 waren es bisher allein beim Tierschutz Halle. „Wir können gar nicht alle aufnehmen“, sagt Vereinschefin Klara Jäger. Hauptproblem ist ein Phänomen, mit dem Tierschützer landauf, landab kämpfen: Herrenlose Katzen, aber auch unkastrierte Katzen von Privathaltern pflanzen sich unkontrolliert fort. Ein Teil des Nachwuchses landet in Tierheimen. Zwei Millionen Katzen leben Schätzungen zufolge bundesweit herrenlos auf der Straße - alle ursprünglich zurückgehend auf Tiere von Privatbesitzern. Vereine wie der Deutsche Tierschutzbund fordern deshalb schon lange eine Kastrationspflicht für freilaufende Katzen.

In Eisleben will man jetzt reagieren und mit einer Kastrationspflicht auch Katzenhalter stärker in die Pflicht nehmen, deren Tiere frei herumlaufen dürfen. Zweimal im Jahr können Katzen Junge kriegen, rechnet Tierheim-Vereinschef Andreas Stude vor. Überleben von jedem Wurf nur drei, vervielfacht sich das Problem rasant. Im Hauptausschuss der Stadt hat man sich deshalb darauf geeinigt, dass bis März eine Verordnung zur Kastrationspflicht erarbeitet werden soll.

Paderborn als Vorbild

Vorbild ist Paderborn (Nordrhein-Westfalen). Dort gilt eine Kastrationspflicht für Freigänger seit 2008. „Wir hatten 40.000 herrenlose Katzen in Paderborn samt Umland - und überfüllte Tierheime“, sagt Ordnungsamts-Chef Udo Olschewski. Neben dem Elend der Tiere aus Sicht der Stadt durchaus eine Gefahr: 75 bis 80 Prozent der Streuner seien krank und könnten nicht nur andere Katzen anstecken, sondern durch Ausscheidungen auf Spielplätzen oder Sportanlagen auch für Menschen gefährlich werden. „Um der Überpopulation auf Dauer beizukommen, blieb nur die Kastrationspflicht“, sagt Olschewski. Sie gilt für männliche wie weibliche Tiere ab einem Alter von fünf Monaten, sobald sie Freigang haben. Zudem müssen in Paderborn die Tiere tätowiert oder mit Chip versehen werden, so dass auf eine Kastration geschlossen oder der Halter und der Tierarzt ausfindig gemacht werden können.

Ob es nun weniger Katzen gibt, kann Olschewski nicht sagen. Es habe aber deutlich mehr Kastrationen gegeben. Allein von 2009 zu 2010 seien mit Hilfe von Tierschützern mehr als 1 000 statt zuvor 480 Katzen kastriert worden - vor allem aus Privatbesitz.

Die Kastrationspflicht für frei laufende Katzen gilt nach einer Übersicht des Deutschen Tierschutzbundes bislang bundesweit in 236 Städten und Gemeinden. Sie ist dort in den jeweiligen kommunalen Gefahrenabwehrverordnungen festgelegt. Erste Stadt, die die Kastrationspflicht eingeführt hat, war Paderborn. Heute gilt sie vor allem in Kommunen in Niedersachsen, gefolgt von Nordrhein-Westfalen. Im Osten Deutschlands ist die Kastrationspflicht mit sechs in der Liste des Tierschutzbundes aufgeführten Kommunen offenbar noch die Ausnahme. Nach Angaben der Stadt Paderborn gibt es aber derzeit verstärkt Anfragen aus den neuen Bundesländern.

Das neue Tierschutzgesetz, das vom Bund im Sommer dieses Jahres verabschiedet wurde, gibt Ländern die Möglichkeit, auch aus Tierschutzgründen auf eine Überpopulation von Katzen zu reagieren. Ausdrücklich erwähnt wird darin ein mögliches Verbot, unkastrierte Katzen frei laufen zu lassen. Die Länder erhalten zudem das Recht, die Zuständigkeit auf die Kommunen zu übertragen. Wie sie damit umgehen, ist noch offen, hieß es im Umweltministerium Sachsen-Anhalts. Das sei auch Thema auf einer Tagung der Tierschutzreferenten der Länder im Dezember. 

Unumstritten ist die Pflicht zur Kastration - je nach Geschlecht des Tieres kostet sie 60 bis 120 Euro - allerdings nicht. In Halle etwa sieht die Stadt bis heute keine Gefahr durch herrenlose Katzen. Tausende soll es in der Stadt geben, in Grenzen gehalten durch spendenfinanzierte Kastrationsaktionen von Tierschützern. Die Kastrationspflicht ist aus Sicht der Stadt indes ein Eingriff in Besitzrechte der Tierhalter. In Düsseldorf wurden entsprechende Pläne wegen rechtlicher Bedenken sogar gestoppt.

Ausnahmen für Züchter

In Paderborn sieht man das anders. Zum einen habe der Besitzer durchaus Möglichkeiten, der Pflicht zu entgehen. Für Katzenzüchter gibt es auf Antrag Ausnahmen. Und Tiere, die nicht frei herumlaufen, müssten nicht kastriert werden, sagt Olschewski. Zum anderen habe das nordrhein-westfälische Innenministerium die Kastrationspflicht gebilligt.

In Sachsen-Anhalt ist Bad Dürrenberg (Saalekreis) bisher offenbar die einzige Kommune, die dem Beispiel Paderborns folgte. Seit Anfang 2010 gilt die Kastrationspflicht - wie in Paderborn sollen damit auch Menschen in die Pflicht genommen werden, die freilaufende Katzen füttern. Man habe die unkontrollierte Vermehrung stoppen wollen, heißt es im Ordnungsamt. Der Tierhof in Bad Dürrenberg spricht zwar nicht von einem durchschlagenden Erfolg. Die Zahl der abgegebenen Katzen sei aber immerhin leicht gesunken.

Mit Paderborn hat Bad Dürrenberg allerdings ein Detail gemein: Aktiv kontrolliert wird die Kastrationspflicht nicht, dafür fehlt in erster Linie das Personal. In der Regel sind es in Bad Dürrenberg Hinweise aus der Bevölkerung, denen nachgegangen wird. Zwischen zehn und 30 Fällen im Jahr gab es zuletzt. Zu zwei Dritteln gehörten die Tiere jemandem, der dann per Bescheinigung vom Tierarzt eine Kastration nachweisen musste. Ein Bußgeld sei zwar schon angedroht, aber noch nie verhängt worden, heißt es im Ordnungsamt.

„Es geht auch nicht darum, mit der Keule draufzuhauen“

Auch in Paderborn hat laut Olschewski noch niemand die 150 beziehungsweise 300 Euro Strafe zahlen müssen. „Es geht auch nicht darum, mit der Keule draufzuhauen“, sagt er. Vielmehr müsse sensibilisiert werden - viele Tierhalter würden sich einsichtig zeigen, wenn ihnen nicht nur das Tierschutzargument, sondern auch das Ordnungsrecht vorgehalten werde. In punkto Kontrolle verweist Olschewski auf Partner wie Tierschutzorganisationen, die nach wie vor auch herrenlose Katzen kastrieren. „Eine hundertprozentige Kontrolle war nicht der Anspruch“, sagt Susan Smith vom Projekt Kitty, das in Paderborn im Einsatz ist. „Manche Städte hatten Angst, sie bräuchten 20 neue Ordnungsbeamte, die den ganzen Tag durch die Gärten jeder Katze hinterherrennen.“ Darum gehe es nicht: Vielmehr hätten Tierschützer jetzt überhaupt eine Handhabe und stünden nicht mehr vor dem Problem, Schadenersatz zahlen zu müssen, falls sie bei einer Streuner-Kastrationsaktion doch eine Katze dabei hatten, die jemandem gehört.

Es geht bei der Kastrationspflicht um die Unvernünftigen, sagt auch Andreas Stude in Eisleben. Wer ein Tier halte oder im Freien füttere, ohne sich weiter zu kümmern, der müsse auch Verantwortung übernehmen.

In vielen Städten vermehren sich die Katzen zu stark und werden so zum Problem.
In vielen Städten vermehren sich die Katzen zu stark und werden so zum Problem.
dpa Lizenz