Thüringen Thüringen: «Stimme Russlands» löst Sorgen aus
WACHENBRUNN/DDP. - Zwei Stacheldrahtzäune, ein großes Schloss und einige Hinweisschilder verbieten den Zugang zu den vier rot-weiß lackierten Rohrgittermasten, über die das Radioprogramm ausgestrahlt wird.
Jahrelanger Kampf
Einige hundert Meter davon entfernt stehen die Einfamilienhäuser von Wachenbrunn. Dort wohnt Sabine Rodeck. Die 38-Jährige hat jahrelang gegen einen der stärksten Mittelwellen-Sender Deutschlands und die gesundheitlichen Schäden, die er verursachen soll, in einer Bürgerinitiative gekämpft.
Seit in den 1950er Jahren der erste, kleinere Sendemast in Betrieb genommen wurde, seien mehr als 25 Personen im Ort an Krebs gestorben. Auch Rodecks Schwiegervater ist darunter. Vor allem die Anlage, die das russische Radioprogramm überträgt, sei Schuld an den Krebsfällen. Nach Angaben des Thüringer Landesamts für Statistik erkrankten von 1998 bis 2007 in Wachenbrunn nicht mehr Menschen an Krebs als in anderen Teilen Thüringens. "Die Sorge der Bürger ist unbegründet", sagt auch Thomas Schulz, Sprecher des Gesundheitsministeriums in Erfurt. Ein Zusammenhang zwischen der elektromagnetischen Strahlung und den Krebserkrankungen sei bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesen.
Vor der Wende habe die große Sendeanlage, die 1985 in Betrieb ging, mit bis zu 1 000 Kilowatt ausgestrahlt, so Rodeck. Laut Betreiberfirma Media Broadcast werden die Sendungen jetzt mit 800 Kilowatt nach Westen gesendet. Eine solche Übertragungsstärke sei für einen Rundfunksender recht hoch, sagt der Institutsdirektor für Informationstechnik an der Technischen Universität Ilmenau, Matthias Hein. Moderne Rundfunksender hätten - bei geringerer Reichweite - Stärken von bis zu 100 Kilowatt.
Vor vier Jahren ist der Protest der Wachenbrunner verstummt. "Wir haben alles versucht", sagt Rodeck. Die Antworten der Behörden hätten immer gleich gelautet: Die Grenzwerte würden nicht überschritten, die Strahlung der Sendeanlagen stehe nicht im Zusammenhang mit den Krebserkrankungen.
Telefonate eingeschränkt
Dass die Strahlung das Leben der Wachenbrunner dennoch beeinflusst, beweisen für Rodeck die elektrischen Geräte der Anwohner. "CD-Spieler, Fernseher oder Wechselsprechanlagen versagen einfach." Die Störungen hätten vor allem auf Telefonanlagen großen Einfluss. Diese funktionierten teilweise gar nicht, bei vielen Telefonaten sei im Hintergrund die "Stimme Russlands" zu hören. Der Sprecher der Betreiberfirma, Wolfgang Speer, bestätigt, dass die Strahlung der Sender Auswirkungen auf elektrische Geräte haben kann. Störungen seien allerdings durch Filter und Kondensatoren zu verhindern.