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Thüringen Thüringen: NPD kandidiert statt der DVU bei Landtagswahlen

Von Silke Katenkamp 12.01.2009, 12:49

Erfurt/dpa. - Die DVU hat am Wochenendeauf ihrem Bundesparteitag in Calbe (Sachsen-Anhalt) beschlossen, denseit fünf Jahren mit der NPD geltenden Pakt zum Verhalten bei Wahlenim Freistaat zu lockern. Der Pakt sah vor, dass bis Ende 2009 nureine der beiden Parteien bei Europa-, Bundes- oder Landtagswahlenantreten darf, um ihre Chancen zu verbessern. Thüringen galt demnachals DVU-Land.

Indem die Partei der NPD nun den Vortritt lässt, tritt ein, wasseit Monaten von NPD-Funktionären gefordert wird. «Die Vereinbarungzwischen den Parteien hat im Laufe der vergangenen zwei Jahredeutliche Risse bekommen», sagt der Chemnitzer ExtremismusforscherEckhard Jesse. Grund seien unter anderem mehrere Wahlschlappen derDVU wie etwa bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 2006.

In Thüringen existiert die DVU nach Meinung von Experten zudem nurauf dem Papier, zählt lediglich 50 Mitglieder. Nach dem Parteitag amWochenende hatte der bisherige Landeschef Wolfgang Beck sogar dasvoraussichtliche Aus für die Partei angekündigt. Die rechtsextremeNPD sieht sich dagegen im Aufwind. «Seit der vergangenen Landtagswahlhat die Mitgliedsstärke der NPD deutlich zugenommen», sagt RogerDerichs vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz. Während sie2004 nur 180 Mitstreiter im Freistaat hatte, sind es jetzt knapp 500.

Zurückzuführen ist dies auf die Öffnung der Partei gegenüberparteiunabhängigen, militanten Neonazis der «Freien Kameradschaften».Nach Angaben des Thüringer Innenministeriums ist es der NPD seitdemgelungen, einen Teil der Kameradschaften zu integrieren. DerLandesverband zählt mittlerweile im Vergleich zur Einwohnerzahl zuden stärksten in Deutschland.

Bisher ist das Thüringer Parlament das einzige in den fünf neuenBundesländern, in das seit 1990 noch keine rechtsextreme Parteieingezogen ist. Nach eigenen Angaben verspricht sich die NPD jedochin diesem Jahr, die Fünf- Prozent-Hürde zu knacken. Uwe Schubert vomTeam «Mobile Beratung in Thüringen. Für Demokratie - gegenRechtsextremismus» (Mobit) hält diese Ansage als durchausrealistisch.

Bei der Bundestagswahl 2005 hat die NPD in Thüringen mit 3,7Prozent ihr deutschlandweit zweitbestes Ergebnis erzielt. «Das warenetwa 53 000 Wählerstimmen, die an die NPD gingen, obwohl kaumWahlkampf stattgefunden hat», weiß Schubert. Für die Landtagswahlbedeutet das seiner Ansicht nach im Umkehrschluss: «Um die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, muss die Partei es nur schaffen, diealten Wähler zur Wahlurne zu bewegen.»

Dies könnte ihr tatsächlich gelingen. Zwar kämpft die Bundesparteiseit Monaten mit erheblichen internen Problemen. So macht ihr derSkandal um Ex-Schatzmeister Erwin Kemna zu schaffen, derHunderttausende Euro aus der Parteikasse veruntreut hat und deswegenim Gefängnis sitzt. Auch gegen NPD-Chef Udo Voigt wird wegen dubioserFinanzvorgänge ermittelt. Hinzu kommen Spannungen zwischen dembürgerlichen Lager der NPD und dem radikalen neonazistischen Flügel.

Trotzdem verfügt die Thüringer NPD, von deren Landesvorstands-Mitgliedern nach Angaben von Schubert ein Großteil wegen Propaganda-Delikten oder gewalttätigen Übergriffen vorbestraft ist, über einesehr aktive junge Basis. «Wenn es der NPD gelingt, diese für denWahlkampf zu mobilisieren, haben sie genug Leute für Kundgebungen,zum Plakatekleben und Spendensammeln.» Ein zusätzlicherMotivierungsschub wäre der Einzug von NPDlern in mehrere Ortsbeirätebei den Kommunalwahlen im Juni. Innenminister Manfred Scherer (CDU)schließt das nach Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde nicht aus.

Auch der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke rechnet denRechtsextremen Chancen aus. «Die jetzige CDU-Regierung gilt in vielenBereichen als relativ schwach. Allen Voraussagen nach verliert sieihre absolute Mehrheit. Das öffnet Spielraum für andere Parteien.»Nach einer Umfrage des Forschungsinstitutes Forsa vom September 2008liegt die NPD in Thüringen bei 4 Prozent.

Fremdenfeindliche und rassistische Einstellungen reichen imFreistaat zudem bis weit in die Mitte der Gesellschaft. So kommt derjährlich im Auftrag der Thüringer Staatskanzlei erstellte Thüringen-Monitor für 2007 zu dem Ergebnis, dass 54 Prozent der Befragten derThese eher oder völlig zustimmen, «dass die Bundesrepublik durch dievielen Ausländer in einem gefährlichen Maße überfremdet» sei.

Wie erfolgreich die NPD bei den Landtagswahlen abschneidet, hängtnach Angaben von Schubert letztlich von der öffentlichen Darstellungder Partei ab. Er hofft auf ein starkes bürgerliches Engagement gegenrechts. «In den vergangenen Jahren hat es immer mal wieder dieHaltung gegeben: Wenn wir nicht drüber reden, wird es schon gutgehen. Das darf jetzt nicht passieren.»