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Thüringen Thüringen: Lernen und lehren nach einer 225-jährigen Philosophie

Von Antje Lauschner 10.10.2006, 07:47
Im Sprachengymnasium Salzmannschule in Schnepfenthal bei Waltershausen nutzen Schülerinnen den historischen Betsaal für eine Projektarbeit. (Foto: dpa)
Im Sprachengymnasium Salzmannschule in Schnepfenthal bei Waltershausen nutzen Schülerinnen den historischen Betsaal für eine Projektarbeit. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Gotha/dpa. - Knapp 225 Jahre nachihrer Gründung erlebt die traditionsreiche Einrichtung inSchnepfenthal als staatliches Sprachengymnasium für besonders begabteKinder eine neue Blüte. «Sie ist die einzige noch erhalteneEinrichtung, die im Sinne der pädagogischen Reformbewegung desPhilanthropismus wirkt», sagt Direktor Dirk Schmidt. Der Geist desGründers zeigt sich unter anderem in den engen Beziehungen zwischenLehrern und Schülern sowie dem fächerübergreifenden Sprachunterricht.

Der Theologe und Pädagoge Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811)hatte die Erziehungsanstalt 1784 in ländlicher Abgeschiedenheit imSinne der Aufklärung gegründet. Die bahnbrechenden Erziehungsmethodendes ehemaligen Dessauer Professors zogen schnell Zöglinge aus ganzEuropa nach Thüringen.

«Der erste wissenschaftlich begründeten Geographie-Unterricht inDeutschland, der erste werktechnische Unterricht und auch der ersteSchwimmunterricht wurde in Schnepfenthal erteilt», erzählt SchülerRobby Tischendorf bei der Führung durch das in die Schule integrierteMuseum. Salzmanns Mitstreiter Johann Christoph Friedrich GutsMuthsführte den Sportunterricht ein und schuf den ersten Turn- undGymnastikplatz, der in Nachbauten bis heute erhalten ist. «Nach ihmwurde beispielsweise der GutsMuths-Lauf über dem Rennsteig benannt»,sagt der 14-Jährige. Etliche Fächer wurden in Fremdsprachenunterrichten, Ausflüge in die Natur und Besuche bei Handwerkerngehörten zum Lehrplan.

Unter den Nationalsozialisten wurde die Schule verstaatlicht, undviele Reformansätze gingen verloren. Die DDR hat die Tradition unterihren Vorzeichen fortgeschrieben. Nach der Maueröffnung ging dieSchule nach einer kurzen Besinnungszeit auf die Suche nach ihrenWurzeln. Der Neuanfang zeigt sich auch in einer umfangreichenSanierung, die mehrere Jahre dauerte. An diesem Samstag nehmen 277Schüler, 38 Lehrer und 22 Erzieher die «runderneuerten»Fachwerkgebäude mit moderner Computertechnik und Fachkabinetten inBesitz.

Der historische Betsaal mit der Orgel aus der Mitte des 19.Jahrhunderts erstrahlt ebenso in alter Pracht wie der zuvoreinsturzgefährdete Kirchturm mit Glockengeläut. 14 Millionen Euro,darunter auch EU-Gelder, flossen nach Angaben des Landratsamtes Gothain das Projekt.

«Die Schäden erwiesen sich nach dem Abschlagen des Putzes als vielgravierender als vermutet», sagt Irene Prate vom Hoch- und Tiefbauamtdes Kreises. Balken und ganze Decken mussten wegen Schwammbefallsausgewechselt werden. Gläserne Brandschutztüren schotten jetzt dielangen und schmalen Gänge voneinander ab. Flure, Klassenzimmer undKabinette wurden in hellen Farben gestrichen, Tapeten und Inventaraus den 1970er Jahren ersetzt.

Die Trumpfkarten des Sprachengymnasiums sind kleine Klassen mitmaximal 18 Schülern, intensiver Kursunterricht mit Muttersprachlern,Ganztagsschul-Angebote, das den hochbegabten Kindern bei all derLeistungsanforderung familiäre Geborgenheit vermittelt. Etwa 80Prozent der Kinder leben im Internat. Sie kommen überwiegend ausThüringen und den angrenzenden Bundesländern.

Diskutiert wird zurzeit über einen Internats-Neubau. Im Momentsind die Schüler in zwei Häusern untergebracht - einige Kilometer vonder Schule entfernt. «Wir unterstützen die Campus-Lösung», sagtKultusministeriums-Sprecher Detlef Baer. «Allerdings bedarf es dafürin der Landesregierung noch einiger Abstimmung.»

Zu den Traditionen gehört in der Salzmannschule auch dieEinführung der Fünftklässler unter der «Salzmann-Linde». Dortübernimmt auch ein älterer Schüler die Patenschaft für dieNeuankömmlinge. Sie sollen lernen, Verantwortung zu übernehmen. «Ichbin stolz, hier zu sein», sagt der 14-jährige Museumsführer Robby.«Ich finde, es ist eine der historisch wichtigsten Schulen. Ich habeein Freudegefühl beim Lernen.»

Auch Johann Wolfgang von Goethes Sohn August war 1801 bei einemBesuch der Schule überwältigt. «Er wollte nicht mehr weg, allerdingswegen der Schuluniform: rote Jacke und weiße Hose», erzählt Robby.Sie wird heute nur noch zu traditionellen Anlässen ausgepackt.