Streit um Windräder bei Eisleben Streit um Windräder bei Eisleben: Bevorzugt Landrat Schatz Windpark-Investoren?

Eisleben/MZ - Jost Naumann ist kein Robin Hood. Der 51-jährige Entertainer aus Eisleben hat zwar alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen 83 Millionen Euro teuren Windpark (WP) vor den Toren der Lutherstadt zu verhindern. Doch das Aktionsbündnis, das er dafür mit anderen Mitstreitern im Herbst gegründet hat, will dabei auf keinen Fall mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Es hat deswegen sogar zu Ostern eine Protestdemo abgesagt. „Wir wollten keinen unnötigen Streit provozieren“, so Naumann. Er vertraut darauf, dass bei dem Genehmigungsverfahren, für das der Landkreis Mansfeld-Südharz den Hut auf hat, alles ordnungsgemäß abläuft. Möglicherweise ein Trugschluss, wie jetzt aufgetauchte E-Mails vermuten lassen.
Die Korrespondenz nährt den Verdacht, dass Landrat Dirk Schatz (CDU) auf das Verfahren Einfluss im Sinne des Investors ausgeübt hat - und allem Anschein nach im Gegenzug auch Geld für seinen Wahlkampf geflossen ist. Der Investor, die Ebert Erneuerbare Energien Projekt GmbH & Co KG aus Niedersachsen, und deren Geschäftsführer sowie der Landrat, der sein Amt am 25. Mai verteidigen will, bestreiten dies allerdings.
Kontakt mit dem Landrat
Der Investor hat auf Anfrage erklären lassen, dass er „den Wahlkampf des Landrates Dirk Schatz weder direkt noch indirekt finanziell unterstützt hat“. Wie es weiter heißt, stehe man seit dem Genehmigungsantrag im Juli 2012 im steten Austausch mit dem Landkreis Mansfeld-Südharz. Eine Einflussnahme auf die Entscheidung der Genehmigungsbehörde über den üblichen Rahmen der Antragstellung hinaus sei nicht erfolgt. Der Investor räumt in dieser Hinsicht auch Kontakt zum Landrat ein.
Landrat Schatz erklärte auf die Anfrage, ob er sich auch privat mit dem Investor getroffen habe, um ihn über den Stand und die Probleme des Verfahrens zu informieren, hingegen nur, dass es mit dem Investor und seinen fachlichen Mitarbeitern einige Arbeitsberatungen gegeben habe, an denen auch das zuständige Fachamt des Landkreises, die Pressestelle und das Büro des Landrates teilgenommen hätten.
Die Frage, ob er seinen Wahlkampf auch mit Mitteln finanziert, die vom Investor stammen, hat der Landrat mit „Nein!“ beantwortet. Das bezieht sich auch auf die Frage, ob er oder Dritte in seinem Auftrag den Investor darum gebeten haben, seinen Wahlkampf finanziell zu unterstützen.
Zweifel an den Darstellungen
Nach den Informationen, die der MZ vorliegen, sind Zweifel an den Darstellungen der Befragten angebracht. So heißt es in einer E-Mail vom 9. Dezember vergangenen Jahres: „Und Herr Ebert sollte wissen, was wir ihm Wert sind, denn das was wir hier für ihn leisten ist mehr als nur einen Investor freundlich zu behandeln.“ Dies schreibt der Landrat an einen vertrauten Unternehmer, der offenbar als Verbindungsmann zum Investor fungiert.
Dieser Unternehmer, ein Werbefachmann, ist es auch, mit dem sich Schatz über E-Mails immer wieder zum Stand des Genehmigungsverfahrens zum Windpark austauscht, was unzulässig ist und gegen alle Regeln eines öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens verstößt. So beklagt der Landrat beispielsweise am 14. März in einer E-Mail an ihn, dass er „durch den Mist mit den Abstandsflächen“ noch „eine Baustelle mehr“ habe.
Der Werbefachmann hatte sich zuvor bei Schatz bedankt, dass der den Termin mit E. wahrgenommen habe. „Ja klar werde ich ihm, wenn alles gelaufen ist, das nochmal deutlich ’ins Ohr flüstern’, was Dein Name hier für eine wichtige Rolle spielte“, schreibt er.
Sorgen wegen des Budgets
Der Vertraute des Landrats hält anscheinend auch die Verbindung zu anderen Partnern, die in die Wahlvorbereitung des Landrates eingebunden sind. In Bezug auf die Wahlkampagne plagen Schatz nämlich Sorgen wegen des Budgets. „Es werden wohl um die 100.000 Euro werden. Die zusammen zu bekommen halte ich in unserer Region für fast unmöglich“, lässt er den Unternehmer, der offenbar auch eine Art Wahlkampfmanager des Landrates ist, dazu wissen. Er habe bisher Zusagen über 20 000 Euro, so Schatz weiter. Um den Unternehmer dann aufzufordern: „Wenn du bei Herrn Ebert noch ne richtige gute Zahl rausholen könntest wäre das super. Denn eins steht fest, er bekommt es nur mit UNS gelöst“, endet die E-Mail, die mit „Lg Dirk“ unterzeichnet ist.
Mit „es“ kann nur das Genehmigungsverfahren für den Windpark „An den Bärenlöchern“, wie der Standort offiziell heißt, gemeint sein. Das bereitet dem Investor offensichtlich mehr Kopfzerbrechen als ihm lieb ist. Zunächst wegen des breiten Widerstandes, dem sich auch das Kultduo „Elsterglanz“ angeschlossen hat.
Elsterglanz bei Protest dabei
Sven Wittek, einer der beiden Komiker, wohnt in Helfta nur knapp einen Kilometer weit von der Stelle entfernt, auf der am Galgenberg die ersten von insgesamt 15 bis zu 200 Meter hohen Windräder entstehen sollen. „Das ist schon krass, was uns da vor die Nase gesetzt werden soll“, sagt er zu den Beweggründen, sich der Protestaktion anzuschließen.
Das Aktionsbündnis hatte mit „Elsterglanz“ im Oktober eine friedliche Protestdemo unter dem Motto „Drachen statt Windräder“ organisiert. Hunderte Menschen kamen. Überregionale Medien griffen das Thema auf. Und die Gegner des Windparks lassen seither nicht locker, obwohl sie erfahren mussten, dass das Areal im Regionalen Entwicklungsplan als „Vorranggebiet für Windkraftanlagen“ ausgewiesen ist und ihre Chancen, das Vorhaben zu stoppen, dadurch erschwert werden.
Sie starteten trotz alledem eine Unterschriftensammlung, reichten im April ein weiteres Gutachten ein, in dem starke naturschutzrechtliche Bedenken gegen den geplanten Windpark aufgelistet sind. Und sie schrieben einen Brief an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Er wurde schon Ende Oktober bei einem Kurzbesuch in Eisleben mit den Protesten gegen den Windpark konfrontiert, als er auf dem Marktplatz ein Autobahn-Hinweisschild für das Reformationsjubiläum 2017 übergab.
Der Landkreis „überrascht“ kurz darauf die Teilnehmer der Protestaktion mit der Ankündigung, dass ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden soll. Die Begründung: Die Versammlung auf dem Markt war nicht angemeldet und somit illegal. In Briefen fordert das Ordnungsamt einige Teilnehmer der Protestaktion auf mitzuteilen, wer die Demo organisiert hat.
Schatz verteidigt Vorgehen
Der Eisleber CDU-Stadtrat Reiner Gerlach, der dem Aktionsbündnis gegen den Windpark angehört, fühlt sich an frühere Stasi-Zeiten erinnert. Ungeachtet dessen verteidigt Schatz das Vorgehen seiner Behörde, was besonders bei Datenschützern und früheren DDR-Bürgerrechtlern auf heftige Kritik stößt. Und im Internet für bissige Kommentare sorgt.
Gerlach hatte wie der gesamte Eisleber Stadtrat das umstrittene Vorhaben in einer Stellungnahme zum Genehmigungsverfahren abgelehnt. Die Kritiker des Vorhabens befürchten herbe Einbußen an Lebensqualität gerade für die Einwohner in Helfta. Dort, wo auch das wiederbelebte Zisterzienser-Kloster steht. Und sie beklagen, dass durch die bis dato höchsten Windräder im Land das Stadtbild der Weltkulturerbe-Stadt verschandelt würde. Auch das Landesamt für Denkmalschutz hat wegen der Auswirkungen des Windparks auf die vom Bergbau geprägte Kulturlandschaft erhebliche Bedenken angemeldet. Und das ausgerechnet noch vorm Reformationsjubiläum.
Das alles hat Haseloff aufgeschreckt. Er lässt sich seit der Protestaktion auf dem Eisleber Markt über den Stand der Dinge informieren. Das wiederum passt dem Landrat nicht in dem Kram. „Ich würde genehmigen, muss aber in Magdeburg den Bescheid vorlegen“, schreibt er am 17. April in einer E-Mail an seinen Vertrauten. Schon Anfang April hatte er diesem gegenüber beklagt: „Es gab es noch NIE, dass ein Ministerium sich einen Bewilligungsbescheid VORHER hat vorlegen lassen.“
Dem Landrat sitzt zu dieser Zeit schon ein weiteres Problem im Nacken: Am 9. April taucht der Petitionsausschuss des Landtages in Eisleben auf. Er war bereits im Herbst vom Aktionsbündnis eingeschaltet worden, hatte aber nach Bekunden des Ausschussvorsitzenden vorher keine Gelegenheit, sich der Sache in der Lutherstadt anzunehmen. Nun kommt der Ausschuss kurz vor Ultimo, um alle beteiligten Behörden anzuhören. Das kann Schatz nicht schmecken, zumal der Investor offenbar Druck macht.
Investor läuft die Zeit davon
Dem läuft die Zeit davon, denn die angekündigten neuen Bestimmungen des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) wirken sich nachteilig auf die Gewinnsituation aus. Und erschweren damit auch die Suche nach Banken, die Geld vorstrecken, wie der Investor schon im September vorigen Jahres angedeutet hatte. Damals wurde durch einen MZ-Beitrag die Dimension des Windparks deutlich, was die Öffentlichkeit auf den Plan rief.
Der Eisleber Stadtrat, aber auch Landrat Schatz bemühten sich damals unverzüglich klarzustellen, dass sie bei der Aufstellung des Regionalen Entwicklungsplanes gegen die Nutzung des Areals als Windpark gewesen sind. Sie seien aber 2009 in der Regionalversammlung von den Vertretern der anderen Kreise überstimmt worden, hieß es. Auch die Regionale Planungsgemeinschaft Halle (REP), zu der der Landkreis Mansfeld-Südharz gehört, ist Mitte April nach der Anhörung im Petitionsausschuss zum Windpark noch einmal zusammengekommen.
Zu diesem Zeitpunkt ist das Genehmigungsverfahren aber schon in vollem Gange. Ende Februar hatte der Investor alle Unterlagen dazu eingereicht, wie ein Sprecher der Kreisverwaltung auf Anfrage bestätigte. Ein Vierteljahr hat der Landkreis danach Zeit, den Antrag zu überprüfen. Der Investor sitzt seither wie auf Kohlen.
Schon Anfang März hatte er über den Vertrauten beim Landrat nachfragen lassen, wann die Genehmigung fertig sein könnte. Auf dessen erneute Anfrage Anfang April reagierte Schatz genervt: „Herr Ebert bringt einiges durcheinander. Ich habe ihm gesagt, dass wir die Frist nicht ausschöpfen und sobald die Genehmigungsfähigkeit vorliegt, diese Genehmigung erteilen“, heißt es in einer Mail vom 7. April. Darin verweist der Landrat auch darauf, dass zwei Leute ausschließlich für das Genehmigungsverfahren Windpark arbeiten würden. Gegenüber der MZ hat der Landrat versichert, dass sich die Anzahl der mit der Bearbeitung betrauten Mitarbeiter nicht von der Anzahl für jedes andere, gleichartig gelagerte Genehmigungsverfahren unterscheiden würde.
Darüber hinaus hatte der Vertraute den Landrat am 7. April wissen lassen: „Die 5 liegen bereit und weitere 5 habe ich ihn nochmals optioniert, wofür ich seine Zusage habe.“ Dem E-Mail-Verkehr zufolge ist anscheinend schon vorher mehrfach Geld in Aussicht gestellt beziehungsweise auch gezahlt worden. „Habe mit Hr. E. gesprochen, könnte sich einen Betrag (wie letztens schon mal) wieder vorstellen“, heißt es bereits in einer E-Mail vom 3. März dieses Jahres an Schatz. Und am 17. April teilte der Werbefachmann dem Landrat mit: „Somit sind von E ges. 10 netto ganz allein für Dich gekommen.“
"Ich habe dem Investor weder eine Sonderbehandlung noch eine Einflussnahme zugesichert"
Es ist übrigens der gleiche Tag, an dem Schatz seinem Vertrauten um 12.32 Uhr mitteilt: „Ebert kannst du sagen, dass ich es geschafft habe, dass der Termin WP mit REP erledigt ist, der findet nur proforma mit der 3. und 4. Ebene statt.“ Der MZ gegenüber erklärte Schatz dagegen: „Ich habe dem Investor weder eine Sonderbehandlung noch eine Einflussnahme zugesichert.“
Ob damit die Würfel im Genehmigungsverfahren für den Windpark bei Eisleben endgültig zugunsten des Investors gefallen sind, ist noch offen. Bis zum 18. Mai läuft die Frist zur Prüfung des Antrags. Nicht nur Jost Naumann ist gespannt, wie die Entscheidung des Landkreises dann ausfällt.