Strafgefangene in der DDR Strafgefangene in der DDR: "Ziel war es die Menschen zu brechen"

Magdeburg - Sie trugen braunen Drillich mit markanten gelben Streifen auf Rücken, Brust und Armen: Strafgefangene in der DDR, die in volkseigenen Betrieben zur Arbeit gezwungen wurden. Vor allem da, wo die Tätigkeiten schwer, dreckig und gefährlich waren, mussten Gefangene schuften - ob sie wollten oder nicht. Der Frondienst für den schwedischen Möbelkonzern Ikea hatte vor Jahresfrist ein Schlaglicht auf das System der Gefangenen-Zwangsarbeit in der DDR geworfen. Weitere Unternehmen, die von den billigen Akkordkräften profitierten, wurden bekannt. Jetzt nimmt sich eine weitere Studie der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Birgit Neumann-Becker, des Themas in Sachsen-Anhalt an.
Ein Schlüsselthema
„Das Thema Arbeit entwickelt sich immer mehr zum Schlüsselthema bei der Aufarbeitung der DDR-Geschichte“, sagte Neumann-Becker am Montag in Magdeburg. Zusammen mit der Landeszentrale für politische Bildung, der Union der Opferverbände und dem Bürgerkomitee Magdeburg will Neumann-Becker die Ergebnisse der Studie in einer Wanderausstellung zusammenfassen. Zunächst ist geplant, diese im einstigen Stasi-Gefängnis Roter Ochse in Halle zu eröffnen. Dort befand sich auch ein Frauengefängnis, dessen Insassinnen zur Fronarbeit gezwungen wurden.
Besonders dramatisch seien, so Neumann-Becker, die Zustände für Zwangsarbeiter im einstigen Chemiekombinat Bitterfeld gewesen, wo Strafgefangene hochgiftigem Quecksilber ausgesetzt waren. „Während sich die Zivilangestellten weigern konnten, war dies den Strafgefangenen nicht möglich“, so Neumann-Becker. Wer es doch wagte, verschwand für bis zu drei Wochen in verschärfter Isolationshaft: „Ziel war es, die Menschen zu brechen.“ Der Frondienst war gleichzeitig für den Staat überlebenswichtig - weil ausreichend Arbeiter fehlten, waren die Betriebe auf Zwangsarbeiter angewiesen. „Vielfach haben die Betriebe die Häftlinge doppelt geschröpft“, sagt Neumann-Becker. Während der karge Lohn größtenteils zur Begleichung der Haftkosten einbehalten wurde, enthielten Betriebe den Sträflingen etwa Prämien vor.
Frauenlager in Quedlinburg
Neben dem Chemiekombinat wird auch die Situation von Strafgefangenen aus Magdeburg-Sudenburg untersucht. Außerdem werden die Bedingungen in der Metallverarbeitung, bei der Braunkohlegewinnung und beim Gleisbau in den Tagebauen rund um das Gefängnis Raßnitz und die der Strafgefangenen aus Volkstedt untersucht, die im Kupferschieferbergbau und der Verhüttung eingesetzt wurden. Ebenfalls untersucht wird die Geschichte des fast schon vergessenen Haftarbeitslagers für Frauen in Quedlinburg. Dort sollten sogenannte „Asoziale“ - vielfach alleinstehende Mütter mit Kindern - mit schwerer Arbeit „erzogen“ werden.
Ähnliche schlimme Erziehungsmethoden wurden in den Jugendwerkhöfen zur Disziplinierung von Jugendlichen angewandt. Zu diesem Thema soll 2016 eine Studie vorgelegt werden. (mz)