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Stalking Stalking: Wenn Liebe zu Wahn wird

Von CAROLIN LÖFFLER 19.02.2009, 20:03

STASSFURT/VS. - Dabei war die Beziehung der beiden schon lange kaputt. Die drei gemeinsamen Kinder waren der Grund, warum sie immer wieder versucht hatte, die Ehe zu retten. Dass sie irgendwann aufgegeben hatte, wollte ihr Mann nicht akzeptieren. Immer wieder klingelte er an der Tür, rief an.

Zunächst kämpfte er für die Beziehung, doch als er merkte, dass er Melanie T. nicht zurückbekommen würde, sann er auf Rache. Er beschimpfte Melanie T. als schlechte Mutter, als "Dreckstück", als "Schlampe". Irgendwann drohte er, sie umzubringen. Erst jetzt holte sich Melanie T. Hilfe.

"Sie hatte Angst, zur Polizei zu gehen. Angst, dass dann alles nur noch schlimmer wird. Angst um die Kinder. Und sie hatte Schuldgefühle, schließlich war sie es, die die Beziehung beendet hatte", erzählt Daniela Zocholl. Die Psychologin und Erziehungswissenschaftlerin arbeitet im Staßfurter Frauenhaus. Dort hat sie immer wieder mit Stalking-Opfern zu tun.

Eine Untersuchung der Forschungsgruppe Stalking vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim ergab 2004, dass zwölf Prozent der 2 000 Befragten mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Stalking geworden sind. Zocholl: " 86 Prozent der Opfer sind Frauen." Im Schnitt dauere das Nachstellen 26 Monate, in manchen Fälle habe es sich über Jahre hingezogen. Selbst wenn die Bedrohungen und Anrufe irgendwann vorbei sind, wirken die Folgen oft noch jahrelang nach. Zocholl: "Viele fühlen sich nur noch zu Hause sicher, verlieren soziale Kontakte oder können nicht mehr arbeiten."

Die Frauen, die in die Beratung der 27-jährigen Hallenserin kommen, sind gezeichnet. "Fast alle weinen, wenn sie über ihre Erfahrungen sprechen. Sie sind extrem unsicher und nervös, leiden unter Depressionen, Schlaf- und Essstörungen", sagt Zocholl. So schlimm werde es, weil die meisten Opfer sich viel zu spät Hilfe holen. "Weil sie denken, es sei allein ihr Problem. Weil sie sich schämen. Und weil sie sich schuldig fühlen. Dabei können sie schnell eine einstweilige Verfügung erhalten, die dem Täter zum Beispiel untersagt, sich vor ihrem Haus aufzuhalten."

Seit 2007 ist Stalking eine Straftat. Nach dem "Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen" können Täter zu einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren verurteilt werden. Seit der Einführung des Stalking-Paragrafen vor fast zwei Jahren gab es mehr als 1 500 Anzeigen in Sachsen-Anhalt.

Neun von zehn Stalkern sind Männer. Wie sind sie dazu zu bewegen, das Stalken einzustellen? Jemand, der sich darum bemüht, ist René Lampe. Er leitet das Beratungszentrum Pro Mann in Magdeburg. "Mit Tätern zu arbeiten, ist Opferschutz. Diese Männer stehen meist komplett neben sich. Ihrer Schuld sind sie sich überhaupt nicht bewusst", sagt er. Einige wollen sich rächen. Andere nehmen gar nicht wahr, dass das Werben um die Ex-Partnerin über einen bloßen Kampf um die Beziehung hinausgeht. "Sie blenden aus, dass die Frau sich bedroht fühlt. Im Grunde genommen sind sie krank, sie müssten behandelt werden", so Sozialpädagoge Lampe.

Erotomanie - Liebeswahn - nennt sich dieses Phänomen. Und das hat auf die Täter fast die gleichen Auswirkungen wie auf die Opfer. Sie sind nervös, leiden unter Depressionen. Der komplette Lebensbereich ist betroffen. René Lampe: "Sie haben das Gefühl, dass sie in die Liebe investieren müssen. Teilweise kündigen sie ihre Arbeitsstelle, leben total isoliert."

Während der Beratung lernen die Männer zunächst wieder, unabhängig von der Frau zu leben. "Das Wichtigste während unserer Arbeit ist es, den Punkt zu erreichen, an dem sie Verantwortung für ihr Handeln übernehmen", so Lampe.

Stalking ist kein Problem Einzelner - auch deshalb sorgen zahlreiche Organisationen für Öffentlichkeit. "Wir wollen einen Überblick bekommen", sagt Kristin Hacker, Leiterin des Staßfurter Frauenhauses. "Egal ob Polizei,Sozialpädagogen oder Lehrer: Wer mit Opfern in Kontakt kommen könnte, sollte wissen, wie er reagieren und handeln kann."