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Seltene Krankheit Multi-Organ-Sarkoidose Seltene Krankheit Multi-Organ-Sarkoidose: 47-Jährige hat nach Mediziner-Marathon Gewissheit

Von Constanze Matthes 14.11.2014, 10:14
Sibylle Pritzkow leidet an Multi-Organ-Sarkoidose - hier mit ihrem Mann Chris und Hündin Angie.
Sibylle Pritzkow leidet an Multi-Organ-Sarkoidose - hier mit ihrem Mann Chris und Hündin Angie. Torsten Biel Lizenz

Bad Kösen/Naumburg - In guten Zeiten hatte sie rund 60 Kilogramm gewogen. Heute bringt Sibylle Pritzkow gerade mal 45 Kilogramm auf die Waage. Den Rollstuhl in Reichweite, liegt sie auf der Couch, in eine Decke gehüllt. Über ihr hängen Regale mit Engelsfiguren. An der Wand steht das Wort „Engellandeplatz“ geschrieben: Die 47-Jährige hat einen besonderen Wunsch. „Ich würde gern noch 50 werden.“ Die Bad Kösenerin leidet an Multi-Organ-Sarkoidose; einer Krankheit, die nur wenige kennen. Bis die Diagnose schließlich bei ihr gestellt wurde, hat Sibylle Pritzkow viele Ärzte aufgesucht, die nicht immer wussten, woran die Patientin erkrankt ist.

Diagnose schwierig zu stellen

Dabei besteht ihre Krankengeschichte aus mehreren Kapiteln. Nach zwei Schlaganfällen sitzt sie im Rollstuhl. Zudem wurde ein Loch im Herz diagnostiziert. Mit einer „dicken Schulter“ war sie zu einem Orthopäden gegangen, der sie in die Weißenfelser Klinik schickte. „Dort wurde eine Computer-Tomographie gemacht. Durch Zufall auch weiter unterhalb“, erzählt die Patientin mit tränenerstickter Stimme. Die Ärzte konfrontierten die Frau und ihren Mann Chris mit einer Hiobsbotschaft: Krebs, der ganze Körper sei befallen. Die Chancen stehen sehr schlecht. „Nach einem Lungenabstrich äußerte jedoch ein Pneumologe, dass es kein Krebs sei“, erzählt Chris Pritzkow. Die Suche nach einer Antwort geht weiter. Ein weiterer Facharzt wird aufgesucht. „Er fragte uns nur, ’was wollen Sie von mir’“, schildert der Ehemann weiter. Beide sind enttäuscht von dem Ergebnis, dem Verhalten der Ärzte. Bis heute haben sie acht Mediziner konsultiert. Die gesamte Korrespondenz mit Ärzten und Kliniken füllt bereits einen dicken Ordner. Ein Facharzt einer Klinik in Halle-Dölau konnte schließlich die Diagnose stellen. Sibylle Pritzkows Krankheitszustand, vor allem ihre vergrößerte Milz, wurde sogar zu einem Thema eines Mediziner-Kongresses.

Thilo Koch, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin des hiesigen Saale-Unstrut-Klinikums Naumburg, ist Patienten mit diesem Leiden bereits mehrfach begegnet. In 90 Prozent der Fälle sei jedoch nur ein Organ, meist die Lunge, betroffen. „Die Sarkoidose gilt als Kolibri unter den Krankheiten und kommt in Deutschland sehr selten vor.“ Es sei wegen fehlender Studien und Erfahrungen sowie der Vielzahl an speziellen Fällen und unterschiedlichen Verlaufsformen schwer und aufwendig, die Krankheit zu diagnostizieren. Nachdem der Arzt eine Verdachtsdiagnostik durchgeführt habe, benötige er zahlreiche Schritte, um seine Vermutung zu bestätigen. „Ein Mediziner braucht dafür nicht nur ein Röntgenbild und zwei bis drei Laborwerte“, so Koch. Allgemein sei es jedoch wichtig, dass eine gute Beziehung zwischen Arzt und Patient von einer offenen Kommunikation lebt. „Der Arzt sollte seine Diagnose dem Patienten mitteilen und Befunde besprechen“, bemerkt der Chefarzt.

Einst als Krankenschwester tätig

Dass die Krankheit kaum in der Öffentlichkeit bekannt ist, bestätigt auch Reimond Ehrig aus Lengefeld bei Sangerhausen. Seit 2003 ist er erkrankt, seine Lunge ist betroffen. Er hat bis vor einiger Zeit eine Selbsthilfegruppe für Sarkoidose-Betroffene in Sachsen-Anhalt geleitet, die sich jedoch wieder aufgelöst hat. „Wir wurden mit der Zeit immer weniger“, bemerkt Ehrig. Nun gebe es Gesprächskreise in Mitteldeutschland nur noch in größeren Städten, so unter anderem in Magdeburg und Erfurt.

Sibylle Pritzkow würde gern einen Arzt und Experten in der Schweiz aufsuchen. Doch das bezahle ihre Krankenkasse nicht, auch wenn diese sie soweit wie möglich unterstützt, erzählt sie. Eine besondere Wirkung habe die sogenannte Frequenzträger-Therapie, die ihr eine Bekannte zukommen lässt und ihre großen Schmerzen lindere. Früher hat sie auch Morphin verabreicht bekommen. Ihr Mann hat die Betreuung seiner Frau, die einst als Krankenschwester in einem Apoldaer Altenpflegeheim tätig war, übernommen: „Ich kann sie keine 20 Minuten allein lassen.“ An ihrer Seite weiß sie mit Angie, eine Shi-Tzu-Hündin, zudem eine besondere Begleiterin. „Es gibt Freunde, die helfen und zuhören, aber es gibt auch Menschen, die eigentlich einen unterstützen sollten, sich aber nicht um einen kümmern. Man fühlt sich da sehr verloren.“ Und einen weiteren großen Wunsch hat die Bad Kösenerin: Dass möglichst bald eine Möglichkeit gefunden wird, die Krankheit zu heilen.