Seit 70 Jahren vermisste Gemälde aus den USA Seit 70 Jahren vermisste Gemälde aus den USA: Die späte Reue der Erben

Dessau-Roßlau - George Clooneys „Monuments Men“ mag auf der Berlinale verrissen worden sein. Das Thema, um das es in dem Film ging, fand aber ein Publikum, das selbst der gleichnamige Bestseller des amerikanischen Geschäftsmanns und Schriftstellers Robert M. Edsel nicht hätte erreichen können. Mit durchschlagender Wirkung bis in die hiesige Region hinein, wie eine Nachricht aus Washington gestern zeigte.
Film und Buch schildern den „heroischen“ Kampf einer kleinen, aber von Idealen beseelten Gruppe von „Kunsthistorikern in Uniform“ in der US-Armee. Mitten im Zweiten Weltkrieg versuchen sie, die Zerstörung von Kulturgut zu mindern und machen sich zugleich auf die Suche nach Nazi-Raubkunst, die zum Beispiel für Hitlers „Weltmuseum“ bestimmt war.
George Clooneys Film „Monuments Men“ kam im Februar 2014 in die Kinos. Gedreht worden war im Jahr zuvor, überwiegend in Deutschland. Im Potsdamer Filmstudio Babelsberg sind Kulissen gebaut worden, sie können im Filmpark Babelsberg noch heute besichtigt werden. Neben dem Studiogelände gab es etliche Drehorte vor allem im Harz.
So entstand ein Teil des Filmes in Sachsen-Anhalt - und zwar in Halberstadt, Merseburg und Osterwiek. Die Dreharbeiten sorgten für öffentliche Aufmerksamkeit, ebenso der mehrwöchige Aufenthalt der Filmcrew in einem Luxushotel in Wernigerode. Neben Regisseur und Hauptdarsteller Clooney waren Weltstars wie Matt Damon, Bill Murray und Cate Blanchet dabei.
Im November 2013 erhielt der Film durch den Fund der Sammlung Gurlitt in München und die sich anschließende Debatte über den Umgang mit Raubkunst zusätzlich Aktualität. In München waren mehr als 1.200 Kunstwerke bei dem Sohn des Kunsthändlers Hildebrandt Gurlitt (1895 - 1956) entdeckt worden. Bei mehr als 500 der Werke wurde vermutet, dass es sich um NS-Raubkunst handelt. Die Monuments Men hatten 1945 125 Werke aus der Sammlung Gurlitt sichergestellt und 1950 zurückgegeben. Sie gehörten nun zu den Bildern, die 2013 in München beschlagnahmt worden sind.
Dass sie es nicht immer schafften, diese Schätze auch vor den eigenen Soldaten zu retten, machten die jüngsten Ereignisse noch einmal schlaglichtartig deutlich. Edsel, der das Erbe der „Monuments Men“ zu seiner Lebensaufgabe und einem groß angelegten Internetprojekt gemacht hat, war es selbst, der an historischer Stätte Kriegsbeute in deutsche Hände zurückgeben konnte. Hinter der martialisch auftrumpfenden Fassade des Washingtoner State Department, erbaut nach 1938 als „War Department“, war er am Dienstag mit der stellvertretenden Staatssekretärin Victoria Nuland und dem deutschen Botschafter Peter Wittig zusammengekommen, um diesem fünf Gemälde auszuhändigen.
Über zwei davon freut sich Heinrich Donatus, Prinz und Landgraf von Hessen, über die anderen drei die Anhaltische Gemäldegalerie in Dessau. Die Freude verdanken sie reuigen Erben, die zur Zeremonie erschienen waren. Es war der Film, der sie auf die Kriegsspur des Familienbesitzes brachte. General Eisenhower hatte bei der Invasion der Normandie, angespornt von den „Monuments Men“, seinen Truppen befohlen, dass Kunst- und Kulturgut wo immer möglich zu respektieren sei.
Private Gier vor militärischem Gehorsam
Oft genug war aber die private Gier größer als der militärische Gehorsam. 1945 beschlagnahmten die Amerikaner Schloss Kronberg im Taunus, einst von Kaiserin Viktoria gebaut, und verschleppten ganze Kisten von Kunst und Juwelen, auch die zwei Bilder aus der Fürstensammlung. Die aber wurden in Nürnberg Margaret I. Reeb angeboten, einem Mitglied des amerikanischen Frauenarmeekorps. Mit ihr gelangten sie nach Montana, wo ihr Neffe sich vor Monaten Edsel anvertraute und die Bilder schließlich zurückgab.
Immerhin handelt es sich um den persönlichen Besitz der Kaiserin Viktoria, Gemahlin Friedrichs III. und Tochter von Queen Viktoria. Eines der Bilder zeigt beide als „Madonna und Kind“, das andere ist eine Kopie des Tripel-Porträts von König Karl I. von England von Anton van Dyck.
Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr zur Rückkehr der Bilder nach Dessau und wie der Monuments-Men-Stiftungsdirektor Edsel die Rückgabe einschätzt.
Die Dessauer Bilder sind wenn auch kleinformatige Kostbarkeiten des 16. und 17. Jahrhunderts aus dem Kernbestand der städtischen Galerie. Von diesen hörte Edsel schon im August 2014, als ein James Hetherington bei seiner Monuments-Men-Stiftung anrief. Der erzählte von seinem Stiefvater, William Oftebro, der Major beim 750. Panzerbataillon gewesen war und die Bilder nach dem Krieg mit der Post an seine Mutter geschickt hatte. Der Familie erzählt er, er habe sie beim Poker gewonnen.
Wie es wirklich gewesen ist, kann die Gemäldekuratorin des Dessauer Museums, Margit Zisché, aber recht genau rekonstruieren. Die Bilder lagen mit 13 anderen in einer der vielen Kisten, die 1943 in die Kaligrube Solveyhall geschafft worden waren. Die Amerikaner entdeckten dieses Lager schon bald nach der Einnahme Dessaus, und schon damals muss einiges gestohlen worden sein. Danach schleppten die Sowjets „waggonweise“ fort, was sie greifen konnten - jedoch kehrte in diesem Fall das meiste in der Rückgabeaktion vom Herbst 1958 zurück. „Ein Großteil der immer noch vermissten Bilder dürfte in amerikanischer Hand sein“, sagt Zisché.
Zurückgegebene Bilder sind nur die Spitze des Eisbergs
Die Galerie, wenn sie denn baubedingt irgendwann wieder öffnet, wird die Werke präsentieren: ein „Verlorener Sohn“ des flämischen Malers Frans Francken III (1607-1667), der nun die sieben vorhandenen Bilder der Francke-Malerfamilie wieder vervollständigt, eine Landschaft des Wiener Malers Franz de Paula Ferg (1689-1714), von dem noch zwei weitere, immer noch verschollene Bilder in der Kiste lagen, und ein Landschaftsbild des sächsischen Hofmalers Christian Wilhelm Ernst Dietrich (1712-1774). Die Galerie hat zwei große mythologische Bilder von ihm, doch auf zwei weitere seiner Landschaftsbilder, die sich ebenfalls in der Kiste befanden, muss Dessau weiter warten.
Auch der Monuments-Men-Stiftungsdirektor Edsel will nichts beschönigen. „Die zurückgegebenen Bilder sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagte er in Washington. „Wir haben bei der Stiftung die Verpflichtung, die Mission der Monuments Men zu einem Abschluss zu bringen. Wir hoffen, dass durch unsere Webseite noch viele andere Erben zur Rückgabe ermuntert werden.“ (mz)
