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Neuanfang mit 76 Eckart Hosang ist der älteste Bufdi auf Schloß Hoym: Neuanfang für Mann aus Güsten mit 76 Jahren

Von Regine Lotzmann 24.09.2019, 07:56
Eckart Hosang ist der älteste Bufdi in der Schloß Hoym Stiftung.
Eckart Hosang ist der älteste Bufdi in der Schloß Hoym Stiftung. Frank Gehrmann

Nachterstedt - Eckart Hosang steckt seinen Kopf in den Kühlschrank. „Mmhhh“, sagt er. „Möchtest du den grünen? Willst du Waldmeister?“, fragt er die Frau hinter sich. Und Hannelore Sommer nickt: „Ja, den grünen!“

Unter den aufmunternden Worten Hosangs verdünnt die ältere Dame dann den Sirup mit Wasser - als Erfrischung für das Mittagessen. Denn in der Nachterstedter Außenwohngruppe der Schloß Hoym Stiftung, die sich um Menschen mit geistiger Behinderung kümmert, wird bald der Tisch gedeckt.

„Das ist unser ältester Bufdi“, sagt Carlo Scholz, der für die Stiftung als Leiter der Verwaltung und Wirtschaftsabteilung arbeitet. Er weiß, dass sich die Bewohner immer freuen, wenn Hosang - inzwischen rüstige 76 Jahre alt - seinen Dienst antritt. „Das zeigt, dass nicht nur junge Menschen richtig sind beim Bundesfreiwilligendienst.“

75 Bundesfreiwillige in Sachsen-Anhalt sind älter als 65 Jahre

Eine Aussage, die Peter Schloßmacher nur bestätigen kann. In Sachsen-Anhalt, sagt der Pressesprecher des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, engagieren sich derzeit 1.734 Männer und Frauen im Bundesfreiwilligendienst, davon sind immerhin 75 älter als 65 Jahre. Im Salzlandkreis seien aktuell 142 Bundesfreiwillige dabei - davon 98, die 27 Jahre und älter sind. Und es werden immer mehr.

„Sie leisten praktische Hilfstätigkeiten in gemeinnützigen Einsatzstellen und unterstützen mit ihrem Engagement Menschen und Organisationen, die auf Hilfe angewiesen sind“, beschreibt Schloßmacher das Ziel des Dienstes, der sich nach der Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes nach 2011 entwickelt hat.

Die persönlichen Motive der Freiwilligen seien dabei so unterschiedlich wie die Einsatzmöglichkeiten selbst. „Sie engagieren sich in Betreuung und Pflege, schützen die Umwelt und fördern die Kultur, sorgen dafür, dass der Ball rollt und die Integration funktioniert.“

Freiwilligendienst steht auch älteren Menschen offen, die sich für die Gesellschaft einsetzen wollen

Auch wenn der Dienst oft von jungen Menschen ausgeführt wird, die ein Jahr bis zum Studium überbrücken wollen oder nach der Schule einfach nur etwas Luft brauchen, um sich für einen Beruf zu entscheiden, eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht.

„Damit ist das der einzige gesetzlich geregelte Freiwilligendienst, der auch für ältere Menschen geöffnet ist, die sich für die Gesellschaft einsetzen wollen“, erklärt der Bundesamt-Sprecher.

„Ich wollte mal wieder das Gefühl haben, dass ich zu etwas nütze bin“, beschreibt Eckart Hosang, warum er trotz seines Rentenalters dabei sein wollte. Der agile Güstener hatte bis zu seinem 63. Lebensjahr in Staßfurt als Ausbilder für CNC-Techniker gearbeitet. Und war von seiner Nachbarin - die in der Schloß Hoym Stiftung angestellt ist - angesprochen worden, ob er jetzt nicht vielleicht Lust auf solch einen Freiwilligendienst hätte.

„Wir haben insgesamt zwölf Plätze, vor allem für jüngere Leute“, sagt Carlo Scholz. „Herr Hosang ist der erste, der in seiner wohlverdienten Rentenzeit noch eine Beschäftigung gesucht hat.“ Anja Hille, die Leiterin der Wohngruppe, nennt den 76-Jährigen ihr „Sahnehäubchen“.

Drei Tage die Woche ist er in der Wohngruppe aktiv. „Er geht mit den Bewohnern spazieren, einkaufen - macht alles, wozu die Mitarbeiter gerade keine Zeit haben“, zählt Anja Hille auf. Und weiß, wie wichtig das ist: „Wir sind ja erst hergezogen, da fehlt den Bewohnern noch ein bisschen die Orientierung.“

„Er ist ein totaler Gewinn, er ist immer da, kümmert sich“, berichtet Anja Hille

Hosang habe einen guten Draht zu den Menschen mit Behinderung, bewege sich auf Augenhöhe, findet die Wohngruppenleiterin. Und sagt: „Er ist ein totaler Gewinn, er ist immer da, kümmert sich.“ Auch für die fünf Mitarbeiter sei er ein Segen. „Zwischen dem ganzen Stress und der Hektik ist einer da, der fürs Wohlfühlen sorgt.“

Doch auch der Rentner profitiert. „Ich fühle, dass ich noch zu etwas gut bin und das gibt mir neuen Mut, den nächsten Tag anzugehen“, sagt der 76-Jährige, der seinen Einsatz im sozialen Bereich zudem als Zugewinn an Lebenserfahrung sieht.

„Und meine Frau sagt immer: Du bist so ausgeglichen, wenn du von Arbeit kommst.“ Deshalb würde Hosang, wenn die Gesundheit mitspielt, sein Jahr auch gern verlängern.

„Für uns ist das eine Win-Win-Situation“, sagt Carlo Scholz dann auch. „Wir können unser Betreuungsangebot abrunden und die Rentner haben nach ihrem Arbeitsleben einen harmonischen Übergang in den Ruhestand oder - wenn sie schon älter sind - wieder ein soziales Umfeld.“ Die Stiftung wolle deshalb in Zukunft vermehrt auch auf ältere Bundesfreiwillige setzen. Ganz so, wie es dem Landestrend entspricht. (mz)