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186 Millionen Euro 186 Millionen Euro: Kreistag muss erneut Defizit bei Wirtschaftsförderung tilgen

Von Marko Jeschor 13.12.2017, 06:55
Nicht alle Gewerbeflächen, wie hier in Alsleben, sind so gut vermarktet worden, wie sich die Kreisverwaltung das gewünscht hätte.
Nicht alle Gewerbeflächen, wie hier in Alsleben, sind so gut vermarktet worden, wie sich die Kreisverwaltung das gewünscht hätte. Pülicher

Bernburg - Es ist womöglich das kleinere Übel. Um die Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft (WFG) im Kreis Bernburg mbH trotz Millionen-Verbindlichkeiten nicht in die Insolvenz schicken zu müssen, bewilligte der Kreistag in der vergangenen Woche die Übernahme neuer Schulden, die sich zunächst einmal „nur“ in der Bilanz des Landkreises negativ niederschlagen.

Konkret übernimmt der Landkreis einen Fehlbetrag der WFG über knapp 1,9 Millionen Euro aus dem Geschäftsjahr 2015.

Geplante Erschließungsbeiträge wurde nie erhoben

Diese Summe setzt sich vorrangig aus Abschreibungen zusammen. So können Erschließungsbeiträge für Gewerbegebiete nicht mehr erhoben werden - zum Teil auch, weil die WFG die Flächen nie besaß.

Außerdem wurde eine größere Fläche in Alsleben mittlerweile zu Ackerland umgewidmet, womit ein entsprechender Wertverlust einherging.

Der Landkreis als einziger Gesellschafter musste bereits in der Vergangenheit mehrfach finanziell für die WFG einspringen. Mittlerweile sind so rund 5,8 Millionen Euro zusammengekommen.

Die zusätzliche Belastung fängt der Kreis den Angaben zufolge über höhere Landeszuweisungen und Einsparungen bei Kreditzinsen ab.

Um die Zusammenhänge zu verstehen, muss man ein paar Jahre zurückschauen. Die WFG war 1991 gegründet worden, um Gewerbeflächen für Städte und Gemeinden in der Region Bernburg zu vermarkten. Das gelang den damaligen Verantwortlichen allerdings nur mit mäßigem Erfolg, wie den Kreistagsmitgliedern spätestens in der September-Sitzung bewusst wurde.

Kaum Bewegung im Grundstücks-Geschäft

Denn von einem zu Beginn aufgenommenen Kredit in Höhe von 75 Millionen Mark sind auch fast 30 Jahre später noch rund 15 Millionen Euro zu tilgen. Das Problem: Etliche Grundstücke wie etwa in Güsten, Ilberstedt, Peißen, Nienburg, Könnern, Neugattersleben und Baalberge lassen sich gar nicht oder mittlerweile nur noch schwer verkaufen - und nach Überzeugung von Wirtschaftsprüfern schon gar nicht für die damals angesetzten Preise.

Dass der Kreistag nicht glücklich mit dem jetzt bewilligten Nachschuss ist, zeigte sich an mehreren Wortmeldungen. So bezeichneten die Kreistagsmitglieder Gerald Bieling (CDU) und Manfred Püchel (SPD) den neuerlichen Zuschuss als einzige vernünftige Möglichkeit im Vergleich zu einer Insolvenz der WFG, die ungleich teurer wäre.

Bert Knoblauch (CDU) kritisierte indes, dass alle im Landkreis für die Fehler einstehen müssen, die im Altkreis Bernburg gemacht worden seien. Hintergrund: In den damaligen Altkreisen waren unterschiedliche Wirtschaftsförderungsgesellschaften aktiv. Mittlerweile gibt es nur noch die des Salzlandkreises.

Johann Hauser (FDP) wurde noch deutlicher: Er bedauere, „dass man die Verantwortlichen dieser Narrenzeit, insbesondere von der Kommunalaufsicht, nicht mehr zur Rechenschaft ziehen kann“.

Thomas Leimbach gesteht: Wir haben die Brisanz unterschätzt

Und selbst Kreistagsvorsitzender Thomas Leimbach (CDU) mischte sich in die Debatte ein. Er sagte, mit einer Vertagung der Entscheidung über die Zukunft der WFG riskiere man, die Reste der Glaubwürdigkeit der Gesellschaft zu verlieren. Man habe die Brisanz über Jahre unterschätzt. 

Tatsächlich hatte der Kreistag bereits 2012 und 2014 ohne große Diskussionen die Übernahme von Schulden gebilligt. Mit den neuerlichen Zuschüssen sind die Probleme nicht aus der Welt. Die Kreisverwaltung prüft nach wie vor, ob die WFG angesichts der Umstände weiter existieren kann und ob weitere Zuschüsse erforderlich sind.

In diesem Zusammenhang sind vor allem Gutachten zu den Grundstückswerten entscheidend. Gleichzeitig prüft WFG-Geschäftsführer Holger Naumann, ob es nicht noch weitere Leichen im Keller gibt.

Ein beschlussfähiges Konzept zur Zukunft soll bis Mitte nächsten Jahres dem Kreistag vorgelegt werden, wobei die Kommunalpolitiker laufend über die Fortschritte informiert werden sollen. Dabei steht für Landrat Markus Bauer (SPD) die Richtung schon fest. Unabhängig von der notwendigen Aufarbeitung der Vergangenheit sei es schlecht für das Image des Kreises, „wenn eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft vor den Baum gefahren wird“, sagte er im Kreistag.

Geklärt werden soll in den nächsten Monaten per Gutachter auch die Frage, inwiefern die jeweiligen Geschäftsführer der damaligen Wirtschaftsförderungsgesellschaft ihre Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt haben. Davon wiederum hängen Haftungsfragen ab. (mz)