Sachsen Sachsen: Schadenersatz wegen Piratenflagge im Fenster?

Chemnitz/dapd. - Begründung des klagenden Vermieters: Die Fahne verschandelt dasästhetische Erscheinungsbild des Hauses und schrecke potenzielleMieter ab. Das Amtsgericht Chemnitz gab ihm recht und verurteiltedie Frau. Am Freitag berät nun das Landgericht Chemnitz in derBerufungsinstanz über den weiteren Fortgang des Rechtsstreits.
Der Fall sorgt seit Monaten in Sachsen für Aufregung. AnettKrüger dachte zunächst an einen schlechten Scherz, als ihr der Briefeines Münchner Rechtsanwalts ins Haus flatterte. 8.000 EuroStreitwert standen plötzlich im Raum. Die sollte sie zahlen, weilihr 22-jähriger Sohn das Mitbringsel von einer Fete - einePiratenfahne - als Vorhangersatz in sein Fenster gehängt hatte.«Alles Kinderkram, habe ich zuerst gedacht», sagt die 45-Jährige.Ihr sei dann allerdings «schnell das Lachen vergangen», als siegemerkt habe, wer dahinter steckt.
Denn Volker Thieler, Münchner Prominenten-Anwalt, gelegentlicherTalk-Showgast und Autor mehrerer Ratgeberbücher, hatte den Briefverfasst. «Der hat unzählige Bücher über Mietrecht geschrieben undberät sogar meine Versicherung. Was soll ich gegen so einenmachen?», berichtet Krüger über ihre erste Verzweiflung.
Zwtl.: Fahne als Vorwand?
Zugleich ist sie sich sicher, dass die Fahne im Fenstereigentlich nur ein Vorwand ist. Tatsächlicher Grund ist nach AnsichtKrügers ein Schreiben vom Februar 2010, indem sie Mängel in ihrer 89Quadratmeter großen Wohnung beschrieben hatte. «Ich schrieb denenvom Schimmelbefall in der Wohnung, und vier Tage später hatte ichdie Antwort mit der Fahne im Postkasten», sagt sie. Nun vermutetsie, dass sie mit ihrem Schreiben in ein Wespennest gestochen hat.«Im Unterschied zu den Häusern in der Nachbarschaft wurde hierzuletzt zu DDR-Zeiten saniert. Also drohen hier massiveInvestitionen», sagt sie.
Tatsächlich sticht das Haus Nr. 17 in der Hübschmannstraße imChemnitzer Kaßberg-Viertel aus der Reihe der topsaniertenGründerzeitbauten heraus. Das Laub liegt selbst im Juli knöchelhochvor dem Eingang, von den Fensterrahmen schält sich der Lack. «DreiWohnungen sind aktuell nicht vermietet. Und das liegt nicht an derFlagge, sondern der schlechten Bausubstanz», sagt Krüger.
Zwtl.: Interessenten angeblich abgeschreckt
Thieler, der in Personalunion auch der Vermieter Krügers ist,bestreitet derlei Vorwürfe und verweist dabei auf sein bisherigesEngagement in Sachen Mieterrechte. «Als Anwalt vertrete ich mehrMieter als Vermieter und habe vor kurzem sogar einen Ratgeber fürMietminderung herausgegeben. Man kann also nicht behaupten, ichhätte grundsätzlich etwas gegen Mieter», sagt Thieler derNachrichtenagentur dapd.
In der Berufungsinstanz gegen Krüger will er allerdings an seinenVorwürfen festhalten. «Bei der Flagge handele es sich um eine ganzschreckliche Fahne, die Assoziationen mit der Symbolik des DrittenReiches nahe legt», sagt Thieler. Von der Beklagten verlangt erdaher eine verpflichtende Erklärung, die Fahne nicht mehraufzuhängen. Zudem prüfe er einen Schadenersatzanspruch gegen dieMutter zweier Kinder. «Zwei potenzielle Interessenten sindabgesprungen, weil sie hinter der Fahne rechtsradikale Bewohnervermuteten», sagt Thieler.
Die gebürtige Hessin Krüger, die vor 15 Jahren einer Anstellungals Opernchorsängerin wegen nach Chemnitz kam, will sich von demRechtsanwalt indes nicht kleinkriegen lassen. «Was hier läuft, istdreist und gemein», sagt sie und ist überzeugt, dass mit ihr einewiderspenstige Mieterin rausgeekelt werden soll: «Viele im Haus sindunzufrieden, aber kaum einer traut sich, etwas zu machen. Und ichbin ein Pfosten, der fallen soll, damit das ganze Hauszusammenbricht.»