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Sachsen Sachsen: Deutschlands erstes PDS-Stadtoberhaupt geht in Rente

Von Jörg Schurig 06.09.2006, 08:44

Hoyerswerda/dpa. - «Hoywoy, dir sind wir treu, du blasse Blumeauf Sand ... du schönste Stadt hier im Land», fabulierte RockpoetGerhard Gundermann über seine Heimat Hoyerswerda. Der 1998 gestorbeneMusiker ist einer von vier Prominenten der Stadt. Konrad Zuse wurdeals Urvater des Computers bekannt, Brigitte Reimann mit Dichtkunst.Das Quartett komplettiert Horst-Dieter Brähmig, der als erster PDS-Oberbürgermeister Deutschlands Schlagzeilen machte und nun in Rentegeht. An diesem Sonntag soll sein Nachfolger gewählt werden.

Als Brähmig 1994 ins Amt kam und mancherorts wie ein neuesSchreckgespenst des Kommunismus beargwöhnt wurde, hatte sich Hoywoy -so nennen die Einheimischen ihre auf Sandboden errichtete Stadt -gerade von einem schlechten Image befreit. Im September 1991 warenhier bei ausländerfeindlichen Krawallen 32 Menschen verletzt worden.Kameras aus aller Welt richteten sich auf die Provinzstadt im OstenSachsens. Später folgten Rostock, Mölln und Solingen. Wie sie wurdeHoyerswerda zum Synonym für Fremdenhass.

15 Jahre danach macht Brähmig die «schlimmsten und schwärzestenTage in der jüngeren Geschichte» noch einmal zum Thema. VorJournalisten listet er auf, was die Stadt gegen den braunen Ungeistunternahm. «Wir haben dieses Problem nicht mehr. Wir machen abernicht die Augen vor dem generellen Problem zu», sagt der 67 Jahrealte Politiker und fordert eine «ständige Prävention». Der Blickrichte sich vor allem auf die Jugend. Das Projekt Schule gegenRassismus sei auch international bemerkt worden.

Im Wahlkampf von Brähmigs Nachfolgern spielen die Ereignisse ausdem September 1991 keine Rolle mehr. Die Stadt hat andere Sorgen.Noch immer fehlt Hoyerswerda eine richtige Verkehrsanbindung, aucheine Ortsumgehung steht auf der Wunschliste. Seit der Wende habenmehr als 20 000 Einwohner die Stadt verlassen, die Kommune schrumpftedamit um ein Drittel. Als Folge ist die Abrissbirne im Dauereinsatz,Hoyerswerda gilt als Paradebeispiel für den Stadtumbau Ost. «Esblutet einem das Herz», sagt der Rentner Heinz Ritter.

Ritter hat erlebt, wie die Stadt beim Boom in den 1960er-Jahrenwuchs. Als es beim Gaskombinat Schwarze Pumpe noch richtig dampfte,diente Hoyerswerda als Wohnstadt für die Kumpels. Doch mit der Wendegingen in der Region rund 25 000 Jobs verloren. Für viele war dieStadt in der Lausitz nicht mehr attraktiv, vor allem junge Leutezogen weg. Noch heute hat Hoyerswerda mit 25,9 Prozent die höchsteArbeitslosenquote in Sachsen. OB Brähmig verweist auf einenerstarkten Mittelstand, ein Großinvestor blieb bisher aber aus.

Die Wahlplakate haben etwas Farbe ins graue Stadtbild gebracht.Als aussichtsreichste Kandidaten gehen Stadtsprecher Sandro Fiebig(Motto: »Hoyerswerda hat Zukunft») und CDU-Mann Stefan Skora insRennen. Skora, Bürgermeister für Bau, Finanzen und Ordnung, wird vonder SPD, FDP und den Freien Wählern unterstützt und wirbt mit demSlogan «Ich ziehe Dresden auf unsere Seite». Das scheint indes nichtdas wirkliche Problem zu sein. Brähmig sagt, dass er «nachanfänglichen Schwierigkeiten» ein sehr gutes Verhältnis zur Regierungunterhielt.

Heinz Ritter hält dem bisherigen OB zugute, dass er das Parteibuchstets in der Schublade ließ. «Ich bin pragmatisch», sagt der künftigeSenior Brähmig. Strittige Themen umschreibt er gern, Privatisierungheißt in der Sprache Brähmigs «Einbeziehung der Wirtschaft in diekommunale Finanzierung»: «Das ist der richtige Weg. Wir können nichtmit den Methoden von gestern die Probleme von heute lösen.» Auch alsWähler ist Brähmig wenig linientreu: Seine Stimme will er am Sonntageinem parteiunabhängigen Kandidaten geben.