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Verfassungsfeinde Verfassungsschutz warnt: Zahl der Extremisten in Sachsen-Anhalt auf Rekordhoch

Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) nennt die Aktivitäten von rechts „die größte Bedrohung für die innere Sicherheit“. Mitgemeint ist auch die AfD, die erstmals im Verfassungsschutzbericht behandelt wird.

Von Hagen Eichler Aktualisiert: 02.07.2024, 19:31
Im Visier des Verfassungsschutzes: die Mitglieder der AfD Sachsen-Anhalt, hier bei einem Parteitag in Weißandt-Gölzau.
Im Visier des Verfassungsschutzes: die Mitglieder der AfD Sachsen-Anhalt, hier bei einem Parteitag in Weißandt-Gölzau. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Magdeburg/MZ - Das demokratische System der Bundesrepublik hat in Sachsen-Anhalt so viele Feinde wie noch nie. Zu diesem Ergebnis kommt der Verfassungsschutz in seinem am Dienstag vorgestellten Jahresbericht für 2023. Das extremistische Personenpotenzial schätzt die Behörde auf rund 5.500 Menschen.

Hintergrund ist, dass erstmals auch die Mitglieder der AfD als Teil der rechtsextremen Bewegung eingestuft wurden. Gewachsen sind aber auch die Potenziale der sogenannten Reichsbürger sowie des Linksextremismus. Die Ergebnisse im Einzelnen:

Rechtsextremismus - immer mehr Anhänger und mehr Straftaten

Als Teil der extremen Rechten stuft der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt rund 3.350 Menschen ein. „Der Rechtsextremismus ist nach wie vor die größte Bedrohung für die innere Sicherheit in Sachsen-Anhalt“, sagte Innenministerin Tamara Zieschang (CDU). Das zeige sich nicht nur an der zahlenmäßigen Stärke, sondern auch an der Gewaltbereitschaft. 2023 hatte die Polizei einen Anstieg politisch motivierter Straftaten von rechts verzeichnet.

Dass auch die AfD nunmehr als rechtsextrem eingestuft wird, begründete Verfassungsschutz-Chef Jochen Hollmann mit einer „aggressiven Fremdenfeindlichkeit“ und der pauschalen Verunglimpfung von Flüchtlingen. Zudem wende sich die Partei gegen das Demokratieprinzip. Zur Untermauerung listet der Verfassungsschutzbericht zahlreiche Zitate führender AfD-Politiker auf.

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So bezeichnete AfD-Generalsekretär Jan Wenzel Schmidt Flüchtlinge im vergangenen Jahr als „Invasoren“, Landeschef Martin Reichardt nannte sie „Fachkräfte für Messerstecherei“. Eine derartige Dämonisierung von Menschen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit verstoße gegen die im Grundgesetz garantierte Menschenwürde, sagte der Verfassungsschutz-Chef.

AfD-Funktionäre verbreiten die Verschwörungstheorie vom „großen Austausch“

Auch verbreite die AfD die Verschwörungsideologie von einem geheimen Plan, die einheimische Bevölkerung durch eine neue zu ersetzen. Dieser Theorie vom sogenannten „Großen Austausch“ hing auch der rechtsterroristische Halle-Attentäter Stephan B. an.

Mit einer Änderung des Beamtengesetzes will die Landesregierung erreichen, dass künftig nicht nur angehende Polizisten, sondern auch andere Landesbeamte vor ihrer Ernennung auf verfassungsfeindliche Aktivitäten überprüft werden sollen. Das Gesetz liegt derzeit im Landtag. Ein AfD-Verbotsverfahren schließt Innenministerin Zieschang nicht grundsätzlich, aber zum jetzigen Zeitpunkt aus. „Ich bin der Überzeugung: Man sollte ein Verbotsverfahren erst einleiten, wenn man auch einen Erfolg sieht“, sagte sie, „und so weit sind wir noch nicht.“

Rund 700 Reichsbürger glauben an Fantasiestaaten

Zuwachs beobachtet der Verfassungsschutz auch bei den Reichsbürgern, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen und sich als Bürger von Fantasiestaaten wähnen. Zählten 2019 noch 500 Menschen zu dieser Szene, sind es nun 700.

Zu den Organisationen zählt etwa das in Wittenberg angesiedelte „Königreich Deutschland“, das vor allem unter Gewerbetreibenden Anhänger wirbt und Immobilien zu erwerben sucht.

Linksextremismus - Nahostkonflikt spaltet Szenen in Halle und Magdeburg

Auf 680 Personen beziffert der Bericht das Personenpotenzial des Linksextremismus – 2019 waren es noch 550. Vor allem der Nahostkonflikt sei ein thematischer Schwerpunkt, sagte Hollmann.

Die Szenen in den beiden Großstädten gehören dabei verfeindeten Lagern an: Während es in Halle Solidarität mit Israel gebe, werde das Land in Magdeburg als Kolonial- oder Apartheidstaat diffamiert.

Gefahr auch durch Islamismus und Spionage

Die Zahl der islamischen Extremisten liegt unverändert bei 400 Personen, darunter Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“. Von den nichtreligiösen ausländischen Organisationen ist vor allem die kurdische PKK aktiv.

Erneut warnt der Verfassungsschutz zudem vor russischer und chinesischer Spionage und Meinungsmanipulationen in Sachsen-Anhalt. Insbesondere Ministerien und nachgeordnete Landesbehörden seien im Fokus von Geheimdiensten der beiden Länder, sagte Hollmann.