Wölfe Wölfe: Halles Zoodirektor Müller fordert erstmals das Töten von "Problemtieren"

Halle (Saale) - Für Schäfer Torsten Kruse begann das Jahr 2017 blutig. Wölfe rissen zehn seiner Schafe, verletzten weitere so schwer, dass sie wohl eingeschläfert werden müssen. Da die Schafe in ihrer Panik die Absperrung durchbrachen und flüchteten, vermisst Kruse zudem immer noch ein gutes Dutzend Lämmer. Für den Schäfer aus Uthmöden bei Haldensleben im Landkreis Börde ist der Fall nicht die erste unliebsame Erfahrung mit Wölfen. 2016 attackierten die Raubtiere insgesamt vier Mal seine Schafe. Kruse hat deshalb eine klare Forderung: Problemwölfe sollen abgeschossen werden.
Mit dieser Ansicht ist er nicht allein. Im Gespräch mit der MZ sprach sich nun auch Halles Zoodirektor Dennis Müller für entsprechende Tötungen aus. Allerdings unter klaren Bedingungen: „Tiere, die besonders wenig Scheu zeigen, Siedlungen auch tagsüber aufsuchen, sich Menschen wiederholt nähern oder wiederholt Herden trotz effektiver Schutzmaßnahmen angreifen, sollten zum Wohl der Gesamtpopulation und auch zur Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz des Wolfes geschossen werden.“
Abschuss von Wölfen muss laut Halles Zoodirektor Dennis Müller aber Einzelfall bleiben
Dabei müsse es aber um Einzelfälle gehen. Eine Bestandsregulierung per Jagd lehnte er ab. Theoretisch wären Abschüsse bereits jetzt möglich. Zwar ist der Wolf durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) streng geschützt, darf deshalb weder absichtlich gefangen, noch getötet werden. Doch die europäische Norm kennt Ausnahmen, etwa zur Verhütung von „ernsten Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung“. Praktisch gab es in Deutschland bisher jedoch nur einen Abschuss. Im Frühjahr 2016 genehmigte Niedersachsen den Abschuss eines als „Kurti“ bekannt gewordenen Rüden, der wegen mangelnder Scheu zur Gefahr für den Menschen erklärt wurde.
Müller, der den grundsätzlich Wolf nicht als Gefahr für den Menschen sieht, fordert jedoch, dass die bestehende Regel konsequent angewendet wird, auch bei Tieren, die regelmäßig Herden angreifen. „Da gibt es Hemmungen. Die Behörden wollen keine Präzedenzfälle schaffen.“ Die Wolfspopulation sei mittlerweile groß genug, um auch das Töten einzelner Tiere zu vertragen.
Landesjagdverband: „Bestandsentwicklung des Wolfes liegt über den Erwartungen“
Diese Einschätzung teilt Wilko Florstedt: „Die Bestandsentwicklung des Wolfes liegt sogar über den Erwartungen.“ Deswegen fordert der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes: „Der Abschuss von Problemwölfen darf kein Tabu sein.“ Dafür hält er ein bundeseinheitliches Konzept zum Umgang mit dem Wolf für erforderlich. An diesem hapere es aber noch.
Martin Trost, Wolfsexperte beim Landesamt für Umweltschutz (Lau), warnt hingegen davor, bei jedem Problem mit dem Raubtier zur Waffe zu greifen. Lockere Abschussregeln wie in der Schweiz, wo zuletzt auch vereinzelt Jungtiere zur Populationsregulierung getötet wurden, hält er für unnötig, weil es in Sachsen-Anhalt bisher noch keine Wölfe gegeben habe, die mehrfach für gefährliche Situationen sorgten. Zudem sei es auch schwierig einzelne Wölfe zu identifizieren. Dafür bedürfe es etwa teurer DNA-Tests an gerissenen Tieren. Zudem verwies Trost auf Erfahrungen aus den USA. Dort seien nach Wolfsabschüssen die Zahlen der gerissenen Nutztiere jeweils gestiegen: „Weniger Wölfe heißt nicht weniger Schäden. Ökologie ist keine Mathematik.“
Wolfsexperte beim Landesamt für Umweltschutz setzt auf besseren Herdenschutz
Der Wolfsexperte setzt auf besseren Herdenschutz – auch wenn dieser nie hundertprozentig sei – etwa durch mindestens 90 Zentimeter hohe Elektrozäune und Herdenhunde. Berufsschäfer erhalten für solche Präventionsmaßnahmen sosogar eine Förderung. Rund 93.000 Euro hat das Land 2016 dafür ausgegeben. In Sachsen-Anhalt gibt es laut Lau derzeit zwölf Rudel und ein Wolfspaar. Im vergangenen Jahr starben hier mehr als 70 Schafe durch Wölfe. (mz)