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Schlössertour in Sachsen-Anhalt Mit Video: Wasserschloss Mücheln: Wohnen in einer anderen Welt

Meinolf Schultebraucks saniert das Wasserschloss in Mücheln seit fast 30 Jahren. Es steht auf Holzpfählen, sein Besitzer entdeckte es zufällig. Heute wohnen dort 13 Mieter – das Leben im alten Gemäuer ist aber nicht für jeden etwas. Mehr dazu auch im Video.

Von Lisa Garn Aktualisiert: 15.08.2024, 10:02
Das Wasserschloss St. Ulrich in Mücheln: In den Pfahlbau sollte einst ein Therapiezentrum einziehen. Entstanden sind nun Wohnungen.
Das Wasserschloss St. Ulrich in Mücheln: In den Pfahlbau sollte einst ein Therapiezentrum einziehen. Entstanden sind nun Wohnungen. Fotos: Andreas Stedtler

Mücheln - Antje König steht in ihrem Schlafzimmer und blickt aus großen Flügelfenstern in den Garten. „Es ist so wunderschön hier. Das wird einem oft wieder bewusst, wenn Besuch da ist.“ Weil dann gestaunt und gefragt werde. Ihr Schlafzimmer im Wasserschloss St. Ulrich in Mücheln (Saalekreis) gleicht einem Prinzessinnenzimmer.

Es ist als Oval angelegt, an den Wänden prangt farbiger Stuck. Blumen und Blätter sind ineinander verschlungen, daran hängen kunstvoll verzierte Tiere und Instrumente. „Das war mal das Musikzimmer oder der Salon. Man kann sich gut vorstellen, wie es hier gewesen sein muss.“

 

Video: Leben in einem Schloss - Antje König zeigt ihre Wohnung im Wasserschloss Mücheln

(Bericht: Andreas Stedtler)

König lebt auf dem Schloss, ebenso wie zwölf andere Mieter. Seit Meinolf Schultebraucks den Bau aus dem 15. Jahrhundert gekauft hat, saniert er und baut ihn zu Wohnungen um. Eine Herkulesaufgabe, sagt er. „Man muss sich im Klaren sein, dass das nur Stück für Stück funktioniert. Vor allem, wenn man die historischen Details erhalten will“, sagt der 73-Jährige. Der Pädagoge lebt in Nordrhein-Westfalen. Vom Schloss aber, erzählt er am Telefon, war er sofort verzaubert.

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Seit vielen Jahren an Denkmalen und Denkmalpflege interessiert, nahm er in den 1990er Jahren an einer Fahrt des Deutschen Burgenvereins durch Sachsen-Anhalt teil. Als die Tour nach Mücheln führte, „schlug mein Herz sofort höher: So ein wunderschönes Schloss“, erinnert sich Schultebraucks. „Dort gab es im Gegensatz zu anderen noch Ursubstanz. Es war nicht groß umgebaut und renoviert worden. Der monumentale Stuck war erhalten, auch die Fußböden und Türen aus Holz.“ Und es musste gerettet werden, sagte er sich.

Antje König lebt seit 2018 auf dem Schloss in Müchlen.
Antje König lebt seit 2018 auf dem Schloss in Müchlen.
Andreas Stedtler

Umgeben von Wasser

Das Schloss ist auch noch in anderer Hinsicht besonders: Es ist ein Pfahlbau, steht also auf Holzpfählen, umgeben von einem Wassergraben. Die Anlage mit Bauteilen aus Gotik, Barock und Renaissance gliedert sich um einen Turm, markant ist auch ein Renaissance-Erker mit Zwiebelhaube. Teil des Ensembles sind Nebengebäude und Stallung sowie ein grauer DDR-Zweckbau, der nicht so recht ins Gesamtbild passt. Wer über die kleine Brücke in das Schloss geht, betritt eine andere Welt.

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An Briefkästen aus Holz vorbei geht es zu einer Wendeltreppe aus Marmor. Die Decken sind großzügig mit Stuck verziert, das Treppenhaus ist lichtdurchflutet. Es ist viel passiert in den vergangenen fast 30 Jahren. 13 Wohnungen sind inzwischen entstanden, drei sollen noch hinzu kommen. Vorarbeiter Dieter Moisel zeigt Zimmer, in denen gerade gearbeitet wird.

Neben Königs Wohnung wurde Parkett aufgearbeitet, einen Raum weiter die Farbschichten von der Holzvertäfelung abgenommen. „Das muss alles streng nach Farbkonzept hergerichtet werden. Fenster, Wände, alles.“ Der gelernte Bautischler aus Naumburg ist eigentlich im Ruhestand, aber ein paar Tage in der Woche kommt er noch aufs Schloss.

Dieter Moisel begleitet die Sanierung.
Dieter Moisel begleitet die Sanierung.
Andreas Stedtler

Die Zimmer sollen so original wie möglich wieder hergerichtet werden. Das wollte Schultebraucks von Beginn an. Auch wenn der Plan ein anderer war: Er wollte ein Therapiezentrum für Menschen mit Einschränkungen schaffen, in dem Ärzte und Angebote wie Ergotherapie und Physiotherapie unter einem Dach vereint sind. Doch weil mit einer Bundesreform die Ausgaben unter anderem für Therapien begrenzt wurden, hatte Schultebraucks einen neuen Plan: ein Schloss zum Wohnen. „Die Fläche ist wahnsinnig groß, etwa 60 bis 70 Zimmer gibt es.“

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Gerade zu Beginn war viel Grundsätzliches zu tun: Das Dach war undicht, es gab statische Probleme im Bereich des Renaissance-Erkers. „Man darf sich aber nicht über die Probleme ärgern, sondern muss im Sinne des Objekts weitermachen“, so der Besitzer. Er lasse sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. „Ich habe eine optimistische Grundhaltung. Auf jeder Baustelle gibt es Dinge, die nicht sofort funktionieren.“

Fenster aus eigener Tischlerei

Über die Jahre wurde der Putz erneuert, die Fassade neu gestaltet und die Räume sowie das Treppenhaus bis ins Detail aufgearbeitet. Eine Stuckateurin wurde angestellt, historische Fußböden, Holzvertäfelungen sowie Fenster wurden restauriert und erneuert. Die historischen Außenfenster bekamen zur Wärme- und Schalldämmung zusätzlich Innenfenster, originalgetreu aus der eigenen Tischlerei.

Die Gussheizkörper blieben erhalten, ebenso die verzierten Kachelöfen. Bei diesen legte Schultebraucks bei der Restaurierung selbst mit Hand an, beschaffte aus der Region weitere Öfen und baute sie in Mücheln wieder auf. „Mir geht es darum, Kunst und Kultur zu erhalten. Das ist aufwändig: Man braucht Fachwissen und muss behutsam vorgehen“, sagt er. Er organisierte sich Bücher und Bildmaterial zu den Originalzuständen. Genutzt wurden Natursteine, Lehm, Holzweichfaserplatten und biologische Farben, „damit das Bauwerk atmen kann“.

Marmor und Stuck im Treppenhaus
Marmor und Stuck im Treppenhaus
Andreas Stedtler

Für das Projekt hatte Schultebraucks 1995 eine Baudenkmalpflegefirma gegründet. Die Arbeiten laufen seit Jahrzehnten kontinuierlich, Mitarbeiter seien täglich vor Ort. Schultebraucks bekam zudem Fördermittel von Land und Landkreis. „Es finanziert sich ebenso über Mieteinnahmen. Deshalb wollte ich damals auch so schnell wie möglich mit der Vermietung beginnen.“

Wer in einem Schloss lebt, muss mit Kompromissen leben. „Für die Dusche und Toilette muss ich den Gang runter gehen. Das ist nur bei dieser Wohnung so, ich merke das gar nicht mehr“, sagt Antje König. „Und im Winter sitze ich hier auch mit dicker Jacke. Aber das wird alles aufgewogen, weil es hier so außergewöhnlich ist. Es ist herrlich, wenn man aufwacht und das sieht. Allein der Blick auf den Park mit seinen hohen Bäumen ist einmalig.“ Die Lehrerin am örtlichen Gymnasium lebt seit 2018 auf dem Schloss. „Schon als ich 2010 nach Mücheln gezogen bin, bin ich hier morgens auf dem Weg zur Schule vorbei und dachte: Wie schön wäre es, hier zu wohnen.“ Auch ihre Mutter und Schwester leben im Schloss, irgendwann wurde eine neue Wohnung frei.

Kein Leerstand im Schloss in Mücheln

Keine gleiche der anderen, sagt Schultebraucks, „weil jeder Raum anders ist, jeder hat andere Elemente und Details“. Mit Leerstand habe er nicht zu kämpfen. Aber nicht jeder ist für das Leben im Denkmal gemacht. Da könne es auch mal ziehen oder eine Tür nicht ganz gerade sein. Der 73-Jährige ist alle paar Wochen vor Ort. Das meiste regelt er von zu Hause aus, das im Übrigen auch ein Denkmal ist: Burg Vellinghausen, ein Herrenhaus, das er saniert. 2019 ist durch Zufall noch ein Baudenkmal dazu gekommen: Die Bockwindmühle in Leimbach, einem Ortsteil von Querfurt (Saalekreis). Schultebraucks entdeckte sie, als er auf einer Heimreise eine Umleitung fuhr.

Schultebraucks hat für diese Projekte offenbar die nötige Geduld. Er war früher Schulleiter, habe sich viel mit Kindern beschäftigt, die Probleme im Schulalltag hatten. Noch heute, er ist längst im Ruhestand, ist er als Inklusionsberater an einer Gesamtschule im Einsatz. „Man muss eine positive Beziehung aufbauen, um eine Entwicklung mit zu gestalten.“ Das kann dauern, es gibt Fort-und Rückschritte und braucht „einen freundlichen, langen Atem“. Ähnlich wie sein Schloss in Mücheln.

Dort sei seine Beziehung zur Kunst und Kultur tragend. „Auch wenn Vieles geschafft ist: Es bleibt immer etwas zu tun. Es ist eine Lebensaufgabe“, sagt Schultebraucks. „Das Schöne daran ist: Mir macht das Freude. Man muss sich darauf konzentrieren, was gut ist. Und nicht auf das, was nicht geht.