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Ausflugsziel Sachsen-Anhalt Das Schloss Burgkemnitz und sein Besitzer: Traum von einem anderen Leben

Daniel Bunge kauft 2015 das historische Gemäuer. Es sollte auch ein Abschluss mit vielen Lasten aus der Vergangenheit sein. Mühsam entfernt er Müll und Schutt, kratzt Türen und Fenster ab. Er hat viel geschafft, aber es reicht ihm nicht.

Von Lisa Garn Aktualisiert: 14.07.2024, 19:41
Schlossherr seit neun Jahren: Daniel Bunge in der großen Privatwohnung. Er will ein neues Konzept umsetzen und Ferienwohnungen anbieten.
Schlossherr seit neun Jahren: Daniel Bunge in der großen Privatwohnung. Er will ein neues Konzept umsetzen und Ferienwohnungen anbieten. Foto: Thomas Klitzsch

Daniel Bunge winkt aus einem Fenster und rast dann die Treppe herunter. Im Hof seines Schlosses Burgkemnitz (Muldestausee) legt er sofort los: Die Geschichte des Hauses kennt er in allen Details, er hat sich eingegraben in die Historie „Ich rede schnell, ich weiß. Es gibt aber so viele Sachen, die wahnsinnig interessant sind und die viele nicht wissen.“ Er führt im Eiltempo um das imposante Ensemble am Rande des Ortes herum, zwischendurch reißt er Unkraut heraus. Er ist schwer zu bremsen. Die Anspannung hat aber auch viel mit seiner Verbundenheit zum Schloss zu tun. „Es steckt Herzblut drin, es ist im Grunde ein Stück Lebenswerk“, sagt der 48-Jährige.

Seit neun Jahren werkelt er mit Helfern in dem Bauwerk, das seine heutige Form im Wesentlichen im 17. Jahrhundert bekam: Es ist eine barocke Dreiflügel-Anlage mit markanten Ecktürmen, idyllisch eingebettet in eine Parklandschaft mit Teich. Die S-Bahnstation liegt nur wenige Meter entfernt. Gerade schwingt sich ein Paar auf seine Räder, nachdem es sich umgesehen hat. „So geht es hier ständig“, sagt Bunge. „Es ist eben ein schönes Märchenschloss in guter Lage.“ Es ist aber auch ein riesiger Bau, in dem man nie fertig wird: 3.000 Quadratmeter Wohnfläche seien es, sagt Bunge, und mehrere Hektar Park.

Die imposante Dreiflügelanlage stand 13 Jahre lang leer.
Die imposante Dreiflügelanlage stand 13 Jahre lang leer.
Foto: Archiv Kehrer

Die meisten Räume sind noch immer Baustellen. Andere sind inzwischen fertig und teils in historischem Stil eingerichtet. „Es ist ein Abenteuer, aber auch ein Kraftakt“, sagt Bunge. „Als wir hier ankamen, war das Schloss nicht zu sehen. Es war dicht von Bäumen zugewachsen, wie eine zugewucherte Insel. Wir haben es freigelegt.“ Bunge lebte ein paar Jahre auf dem Schloss, ist jetzt nur sporadisch vor Ort. „Ich brauchte eine schöpferische Pause. Die Jahre haben Kraft gekostet.“ Ursprünglich sollte eine Bildungsakademie für Führungskräfte mit Übernachtung und Gastronomie entstehen. Jetzt ist der Plan ein anderer: Bunge will Ferienwohnungen anbieten.

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Der Leipziger hatte lange nach einem passenden Objekt gesucht, um ein neues Lebens-Kapitel aufzuschlagen. Gestartet war er mit seiner Partnerin, sie suchten ein Haus außerhalb von Leipzig. Dann ging es plötzlich um ein Schloss: „Ich habe mich mitreißen lassen. Auf Burgkemnitz stießen wir durch Zufall und waren sofort hin und weg.“ Bunge sagt, er selbst habe familiäre Verbindungen nach Sachsen-Anhalt – und zum Uradel Bunge mit Wurzeln in Osteuropa. „Der Name bedeutet im Mittelhochdeutschen Trommel oder Pauke. Das passt zu mir“, sagt er und lacht. Seine Großeltern hätten einen Gutshof im Köthener Raum gehabt. Er referiert aus dem Stand viel über die Geschichte der Familie, über Lebensweisen und Umgangsformen des Adels, dessen Macht. „Mich fasziniert diese eigene Welt, mit besonderen Regeln und Traditionen.“

Schloss Burgkemnitz 2015 gekauft

Die entdeckte er auch auf seinem Schloss. Gekauft hatte er es 2015 vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld, da stand es 13 Jahre leer. Wie viel Bunge bezahlt hat, will er nicht sagen. Nur so viel: „Ich hatte Beteiligungen an Firmen in Leipzig und Halle. Ich war Unternehmer.“ Konkreter will er nicht werden. „Es muss nicht jeder alles über mich wissen.“ Wichtig sei, dass er im Ort etwas aufbauen will. Offenbar war die Entscheidung für ein Schloss auch an einem Zeitpunkt in seinem Leben gefallen, in dem er Ballast hinter sich lassen wollte. „Ich habe ein anderes Leben geführt, aber gemerkt, dass es um mehr gehen muss. Vielleicht um Rückbesinnung auf Wesentliches, um echte Werte. Und ich wollte mir auch etwas beweisen.“

Muldestausee Burgkemnitz Sachsen-Anhalt Germany  20240702 2391  Schloss Burgkemnitz Inhaber Daniel Bunge Foto: Thomas Klitzsch
Muldestausee Burgkemnitz Sachsen-Anhalt Germany 20240702 2391 Schloss Burgkemnitz Inhaber Daniel Bunge Foto: Thomas Klitzsch
Thomas Klitzsch

Bunge zog aufs Schloss und stürzte sich in die Sanierung. „Es waren viele Menschen da, die geholfen haben, Angestellte, aber auch Studenten und Künstler. Sie konnten hier übernachten und haben im Gegenzug mitgearbeitet.“ Er zeigt Videos von den Bauarbeiten, von Baggern, mit denen Wassergräben angelegt wurden, auch Unkraut und Zäune verschwanden. Bäume wurden gefällt, Ersatz an anderer Stelle gepflanzt. „Die Leute aus dem Dorf kamen: Die wussten gar nicht, dass das Schloss so aussieht, weil es Jahre nicht sichtbar war.“

Bunge öffnet die Tür zur großen Eingangshalle: Holzdielen, kunstvoll verzierte Kamine und Säulen zieren den nach oben weit offenen Raum. „Das war eine Müllhalde, wir haben hunderte Säcke rausgetragen.“ Eine geschwungene Treppe mit Marmorstufen führt nach oben. Bunge zeigt auf die Tapete. „Das haben wir alles abgetragen, zum Teil vier Schichten. Darunter kam auch eine Tapete in Kobaltblau zum Vorschein, die damals teuerste Farbe.“ Er spricht von bis zu 22 Schichten Lack auf Fußböden, wie sie ihn auch von fast allen Türen und Fenstern abkratzten, „mit dem Skalpell. Die Finger haben Monate noch gebrannt“. Allein eine der großen Eingangstüren mit Wappen habe „Wochen gedauert“.

p7g_t24xXb8DK58gNgbIJd6dg32Es ging  voran – trotz Unwägbarkeiten. „Es gab eben doch zwei undichte Stellen im Dach,  die anfangs nicht sichtbar waren. Und sämtliche  Heizungsrohre waren geplatzt. Das wirft zurück.“  Im Laufe der Zeit  brachten  Dorfbewohner Bauteile auf das Schloss zurück, Bunge beschaffte Möbel, „von meiner Familie oder von Reisen in  Europa“, sagt er.   Er sammelte auch viele Bilder, um den früheren Zustand besser greifen und sich an ihm orientieren zu können. Im Haupttrakt des Schlosses sind einige Zimmer mit Holzvertäfelung und Dielen wieder eingerichtet, wie das Esszimmer und  das Arbeitszimmer. Im Flügel gegenüber  ist eine große Familienwohnung entstanden, ebenso  Zimmer zum Übernachten.  „Manche sanieren Raum  für Raum, wir sind alle gleichzeitig angegangen. So ist es irgendwie ein Flickenteppich. Aber die Basis stimmt.“image_257-75191797_0714190854971.jpgMuldestausee Burgkemnitz Sachsen-Anhalt Germany  20240702 2384  Schloss Burgkemnitz Inhaber Daniel Bunge Foto: Thomas Klitzsch
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Es ging voran – trotz Unwägbarkeiten. „Es gab eben doch zwei undichte Stellen im Dach, die anfangs nicht sichtbar waren. Und sämtliche Heizungsrohre waren geplatzt. Das wirft zurück.“ Im Laufe der Zeit brachten Dorfbewohner Bauteile auf das Schloss zurück, Bunge beschaffte Möbel, „von meiner Familie oder von Reisen in Europa“, sagt er. Er sammelte auch viele Bilder, um den früheren Zustand besser greifen und sich an ihm orientieren zu können. Im Haupttrakt des Schlosses sind einige Zimmer mit Holzvertäfelung und Dielen wieder eingerichtet, wie das Esszimmer und das Arbeitszimmer. Im Flügel gegenüber ist eine große Familienwohnung entstanden, ebenso Zimmer zum Übernachten. „Manche sanieren Raum für Raum, wir sind alle gleichzeitig angegangen. So ist es irgendwie ein Flickenteppich. Aber die Basis stimmt.“

image_257-75191797_0714190854971.jpgMuldestausee Burgkemnitz Sachsen-Anhalt Germany 20240702 2384 Schloss Burgkemnitz Inhaber Daniel Bunge Foto: Thomas Klitzsch
Thomas Klitzsch

Fördermittel wurden zwar bewilligt, aber das Paar lehnte ab – „weil sich abzeichnete, dass das Projekt nicht umsetzbar ist“. Wer mit Bunge spricht, erkennt auch schnell einen Tausendsassa. Er hat viele Ideen, er macht vieles gleichzeitig. Zwischenzeitlich hielt er auf dem Grundstück Hühner, Schafe, Schweine, Kühe. Er habe zuletzt Klavier gelernt, sagt er, auch verschiedene Sprachen. Und er hatte die Familienwohnung bei einer großen Onlineplattform für Privatunterkünfte vermietet. „Sie war im Sommer immer ausgebucht.“ Dann kam die Pandemie. Und danach ein privater Bruch. Bunge zog vor eineinhalb Jahren wieder nach Leipzig und kümmert sich nun allein um das Schloss. „Es war eine schwierige Phase, die sich nun aber löst.“ Näher will er darauf nicht eingehen. Nur so viel: Seine Ex-Freundin und Mutter seiner beiden Kinder verwirkliche das Projekt Bildungsakademie in Sachsen.

Bunge arbeitet nun für seine neue Idee: Ferienwohnungen. „Dafür ist viel Papierkram nötig, Zeit – und Nerven“, sagt er. Es seien immer wieder Yoga-Gruppen vor Ort, die weiter Holz von Farbschichten befreiten. „Es geht weiter, aber eben langsamer.“ Kommt ein Verkauf in Frage? „Es ist nur eine Option, wenn es ein Liebhaber ist. Jemand, der es zu schätzen weiß.“ Dann überlegt Bunge kurz und sagt: „Aber eigentlich will ich es behalten und weiterentwickeln. Es ist ein Abenteuer, immernoch.“

Geschichte des Schlosses

Für das Burgkemnitzer Schloss wird eine aus slawischer Zeit stammende Burg als Ursprung angesehen, die aber an anderer Stelle im Ort stand. Im 17. Jahrhundert verkaufte Familie von Koseritz Burgkemnitz an Bodo von Bodenhausen. Ab 1696 enstand eine barocke Dreiflügelanlage. Der spätere Landrat von Bitterfeld, Hans Bodo von Bodenhausen, ließ das Haus seiner Ahnen 1870 großzügig im Stil der Neorenaissance umbauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Schloss und Rittergut enteignet. Das Schloss dient zunächst als Erholungsheim der Farbenfabrik. Bald aber findet die SED Gefallen am feudalen Ambiente. Das Schloss wird zur Parteischule. Nach der Wende übernimmt der Landkreis das Objekt für eine D-Mark und verpachtet es an die Caritas. Die nutzte es bis 2002 als Wohn- und Pflegeheim für geistig behinderte Menschen. Seither betreibt die Caritas-Trägergesellschaft die Wohn- und Förderstätte „St. Lorenz“ auf dem Gelände. Das Schloss stand leer und verfiel zusehends. Ende 2015 wird der Schlossverkauf im Kreistag Anhalt-Bitterfeld beschlossen.