Video-Aufnahmen sind teils illegal Video-Aufnahmen sind teils illegal: Datenschützer greift bei Identitären in Halle durch

Magdeburg/Halle (Saale) - Filmen Rechtsextreme ihre Nachbarn in Halles Universitäts-Viertel? Seit Herbst ist diese Frage offen. Damals hatten Mitglieder der sogenannten Identitären Bewegung ihr Hauptquartier in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 mit Kameras ausgerüstet.
Die Gruppe läuft beim Verfassungsschutz unter „Rechtsextremismus“, es gab Farbbeutel-Attacken. Ihr Domizil steht direkt am modernen Steintor-Campus - hier laufen von früh bis spät Studenten, Nachbarn, Passanten entlang. Oder eben auch nicht: Seit die Rechtsextremen dort residieren und Kameras anschraubten, meiden viele Hallenser diese Straße.
Kameras am Haus der Identitären: Keine Attrappen
Weil nicht nur Anwohner, sondern auch die Universität das Agieren der Identitären mit Argwohn sahen, informierten sie bereits im Herbst den Landes-Datenschutzbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt. Der Verdacht: Auch Teile des Campus’ könnten von den Kameras erfasst sein - das wäre rechtswidrig. Seitdem blieb es monatelang still in der Debatte. Die Geräte blieben angeschraubt und die Frage unbeantwortet, ob es sich nur um Attrappen oder scharfgeschaltete Weitwinkel-Kameras handelt.
Erste Ergebnisse des Datenschutz-Beauftragten lassen nun aufhorchen. Laut Harald von Bose handelt es sich keineswegs um Attrappen, sondern um voll funktionsfähige, nach wie vor laufende Kameras.
„Wir haben nun untersagt, dass die Kameras beliebig den Straßenzug erfassen“, sagt er der MZ. „Zudem wurden zwischenzeitlich auch Fenster des gegenüberliegenden Gebäudes gefilmt“, so von Bose - „nun nicht mehr.“ Die Überprüfung habe unter anderem anhand von Bildschirmfotos stattgefunden.
Datenschützer fordert Hinweisschilder für Passanten
Zudem habe der Datenschutz-Beauftragte die Speicherfrist der Filmaufnahmen auf höchstens 48 Stunden festgesetzt. „Wenn die Kameras gegen Vandalismus helfen sollen, reicht das“, sagt von Bose. Zudem fordert er Hinweisschilder, die Passanten vor etwaigen Filmaufnahmen warnen. Aktuell würden die Kameras weiterhin bis zum gegenüberliegenden Bürgersteig filmen.
Allerdings muss das nicht das letzte Wort des obersten Datenschützers gewesen sein. „Das ist eine einstweilige Einschätzung, uns fehlt noch die Bewertung der Polizei“, erklärt von Bose. Diese habe er im November angefordert, um die Sicherheitslage in der Adam-Kuckhoff-Straße einschätzen zu können. „Das ist wichtig für unsere Bewertung, ob eine Videoüberwachung an dem Haus grundsätzlich zulässig ist.“
Doch so langsam wird von Bose ungeduldig. Denn die im November erbetene „Gefährdungseinschätzung“ der Polizei lässt auf sich warten. Auf MZ-Anfrage teilt die Direktion in Halle mit: „Im Zusammenhang mit dem Objekt Adam-Kuckhoff-Straße werden hier noch mehrere strafrechtliche Ermittlungsverfahren geführt. Daher ist eine abschließende Bewertung gegenwärtig noch nicht möglich. “
Henriette Quade sieht Kameras am Haus der IB als Bedrohung
Auch Innenpolitiker drängen nun auf eine zügige Bearbeitung. „Gerade wenn es um Datenschutz geht, brauchen wir Klarheit“, sagte Henriette Quade, Innenpolitikern der Linken im Landtag. Sie sieht die Kameras am Haus der Rechtsextremen als Bedrohung an. „Gerade bei den Identitären ist nicht davon auszugehen, dass die Kameras nur ausversehen zu hoch eingestellt sind.“ Es könne in diesem Fall durchaus darum gehen: Wer kommt diesem Haus nahe, wer ist auf dem Uni-Campus unterwegs? Aus diesem Grund sei Quade „ebenfalls ungeduldig“, was die ausstehende Einschätzung der Polizei angehe.
Beobachtung durch die PolizeiSie verwies auf einen Zwischenfall in einer Universitäts-Mensa im Sommer 2017, als Mitglieder der Identitären Bewegung gezielt Studenten bedroht haben sollen. Alarmierte Polizisten stellten Pfefferspray, Quarz-Handschuhe und ein Messer bei den Identitären fest. „Das gezielte Bedrohen geht genau in diese Richtung“, sagte Quade mit Blick auf die installierte Videoüberwachung.
Zumal die hallesche Abgeordnete „irritiert“ sei über das Agieren des Innenministeriums: In einer Parlamentsanfrage hatte sie jüngst hinterfragt, wie das Ressort die aufgebaute Überwachungstechnik bewerte. „Einen Hinweis drauf, dass das rechtswidrig sein könnte, kam da aber nicht“, so Quade. Die Polizei überwacht das Quartier der Identitären mit Zivilbeamten. Im November waren Polizisten von Mitgliedern angegriffen worden. (mz)