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Martin-Luther-Universität untersucht Deutschkenntnisse von Schülern Studie aus Halle: Willkommensklassen helfen jungen Flüchtlingen kaum beim Spracherwerb

Sogenannte Willkommensklassen für junge Flüchtlinge haben in deutschen Schulen nicht den gewünschten Effekt. Das zeigt eine neue Studie der Universität Halle. Was die Experten der Politik stattdessen empfehlen.

Von Matthias Müller Aktualisiert: 12.08.2025, 16:02
Schule hat bei der Integration eine wichtige Aufgabe.
Schule hat bei der Integration eine wichtige Aufgabe. (Foto: dpa)

Halle/MZ. - Wer als junger Flüchtling in Deutschland möglichst schnell in eine reguläre Schulklasse kommt, verbessert seine Sprachkenntnisse am ehesten. So genannte Willkommensklassen haben hingegen in nicht die erhoffte Wirkung. Das zeigt eine neue Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, für die Daten von mehr als 1.000 Jugendlichen ausgewertet wurden. Die Forschenden empfehlen der Politik, auf solche getrennten Klassen zu verzichten, insbesondere in Grundschulen, und werben für eine rasche Integration.

Wer nicht weiß, ob er bleiben darf, investiert womöglich weniger in seine Deutschkompetenzen.

PD Dr. Oliver Winkler, Soziologe Universität Halle

Untersuchungen hätten gezeigt, dass geflüchtete Grundschulkinder beim Leseverständnis durchschnittlich zwei Schuljahre im Vergleich zu ihren nicht eingewanderten Mitschülern zurückliegen, erklärt Oliver Winkler vom Institut für Soziologie. Vor diesem Hintergrund hat er zusammen mit Anne-Kathrin Carwehl vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untersucht, ob rechtliche und institutionelle Bedingungen einen Einfluss auf den Erwerb deutscher Sprachkompetenzen haben.

Wartezeit und Asystatus

Der Fokus lag auf der Wartezeit bis zur Einschulung, dem Asylstatus und der Frage, ob die Flüchtlinge vor dem Besuch der regulären Klasse eine Willkommensklasse besucht hatten. Es wurden Daten von Schülern zwischen 14 und 16 Jahren einbezogen, die eine Regelklasse in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder Sachsen besuchten.

Das Fazit: Längere Wartezeiten bis zur Einschulung gehen Jahre später noch mit schlechteren Deutschkenntnissen einher. „In vielen Bundesländern beginnt die Einschulung erst, wenn die Zuweisung der Flüchtlingsfamilie zu einer Kommune erfolgt ist“, so Winkler. Somit müssten schulpflichtige Flüchtlingskinder oft länger als ein halbes Jahr auf ihre Einschulung warten und hätten in dieser Zeit keinen Kontakt zu deutschsprachigen Mitschülern.

Mangelnder Kontakt zu deutschen Mitschülern

Dieser Kontaktmangel sei offenbar auch ein Grund dafür, dass Willkommensklassen kaum zur Angleichung der Sprachkenntnisse führen. Solche Klassen sind in vielen Bundesländern eingerichtet worden, um junge Flüchtlinge mit geringen Deutschkenntnissen auf den Besuch einer Regelklasse vorzubereiten. „Wir haben festgestellt, dass ehemalige Schülerinnen und Schüler von Willkommensklassen auch Jahre später noch geringere Sprachkenntnisse als jene Flüchtlinge haben, die von Anfang an Regelklassen besuchten“, so Winkler. Tendenziell hängen Sprachkenntnisse laut Studie auch vom Asylstatus ab: Flüchtlinge, die mit dem latenten Risiko lebten, abgeschoben zu werden, hätten schlechtere Deutschkenntnisse. „Wer nicht weiß, ob er bleiben darf, investiert womöglich weniger in seine Deutschkompetenzen.“