Streit um Waldbrand am Brocken Bekam der Chef des Nationalparks im Harz einen "Maulkorb" verpasst?
Eine Pressemitteilung der Naionalparkverwaltung im Harz mit harten Anschuldigungen zum Großbrand im Harz unterhalb des Brocken wird kurz nach ihrer Veröffentlichung zurückgezogen und durch eine harmlose Mitteilung ersetzt. Gab es politischen Druck?

Schierke/MZ - Die Aussagen haben es in sich: Im Streit um den Großbrand unterhalb des Brockens und dessen Folgen veröffentlichte der Nationalpark Harz am Freitag eine Mitteilung. Darin wird die Einsatzleitung der Feuerwehr kritisiert, weil sie nach Ansicht des Nationalparks „wiederholt“ falsche Angaben zur Größe eines Brandes gemacht und die Öffentlichkeit so „in die Irre“ geführt habe.
Die Feuerfläche habe nach Auswertung von Drohnenaufnahmen zwölf und nicht - wie von der Feuerwehr behauptet - 160 Hektar betragen, so der Nationalpark.
Mitteilung des Nationalpark: Anschuldigungen gegen Harz-Landrat Balcerowski
Auch der Landrat des Harzkreises, Thomas Balcerowski (CDU), wird in der Mitteilung attackiert. Ihm - und anderen nicht näher genannten „Verantwortlichen“ - wird von Roland Pietsch, Leiter des Nationalparks, vorgeworfen, „immer wieder Öl ins Feuer zu gießen“. Zudem habe der Landrat einen mangelnden Aufklärungswillen hinsichtlich der Rolle der Harzer Schmalspurbahn (HSB) bei den Bränden.
„Es wäre gut, wenn er mit der gleichen Vehemenz, wie er Löschflugzeuge und die Entfernung von Totholz aus dem Nationalpark fordert, dies als Aufsichtsratsvorsitzender der HSB auch hinsichtlich der Analyse oder besser noch des Ausschlusses möglicher Brandursachen tun würde“, wird Pietsch zitiert.
Pressemitteilung des Nationalpark Harz: Wirklich „nicht autorisiert“?
Die Mitteilung, die der ohnehin seit dem Brand sehr hitzigen Debatte weiteren Zündstoff hinzufügte, wurde Freitagmittag offiziell von der Pressestelle der Behörde versendet. 23 Minuten später zog der Nationalpark sie allerdings wieder zurück, um eine weitere Stunde später eine neue Mitteilung zu versenden, in der von den Vorwürfen kaum noch etwas zu lesen war.
Nationalparksprecher Martin Baumgartner begründete den Rückzug der Mitteilung damit, dass die erste Fassung „nicht autorisiert gewesen sei“. Gegenüber der MZ erklärte er nur, dass man den ersten Text zurückziehen musste. „Mehr kann ich dazu nicht sagen“, so Baumgartner.

Aus gut informierten Kreisen war jedoch zu erfahren, dass die erste, im Ton deutlich schärfere Fassung des Nationalparks durchaus von Nationalparkleiter Roland Pietsch so autorisiert worden war. Allerdings soll nach MZ-Informationen auf politischen Druck des Niedersächsischen Umweltministeriums hin die Mitteilung zurückgezogen und dem Nationalparkleiter ein Maulkorb verpasst worden sein.
Auf eine Anfrage der MZ am frühen Freitagnachmittag reagierten die für den Nationalpark zuständigen Ministerien in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt nicht.
Balcerowski: Nationalpark will Rolle beim Brand am Brocken relativieren
Auf die Kritik an ihm reagierte Thomas Balcerowski irritiert. „Leider verstärkt die Mitteilung den Eindruck, dass dem Nationalpark vor allem daran gelegen ist, die Brände der letzten Zeit zu relativieren.“ Die Beziehung zum Schutzgebiet und seiner Leitung bezeichnet der Landrat als „angespannt“. „Es lastet aber gerade auch viel Druck auf dem Nationalpark, was die Mitteilung vielleicht erklärt.“ Hinsichtlich der HSB stellte der Landrat Veränderungen in Aussicht. „Wie dem Nationalpark vielleicht entgangen ist, setze ich mich für zusätzliche Sensortechnik an den Zügen ein sowie Wasserleitungen entlang der Strecke - wenn das möglich ist“, sagte Balcerowski.
Was die Brandfläche betrifft, zeigte sich der Harzer Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse verwundert über die Berechnungen des Nationalparks: „Ich weiß nicht, was die da für eine Maßeinheit benutzt haben", sagte Lohse der MZ. Während des mehrere Tage dauernden Einsatzes habe Nationalparkleiter Pietsch an den entsprechenden Sitzungen, bei denen auch die Ausbreitung des Brandes eingeschätzt wurde, teilgenommen. „Er wusste immer Bescheid, von welcher Fläche wir ausgehen.“ Wieso die Angaben der Einsatzleitung nun in Zweifel gezogen werden, könne er sich nicht erklären, sagte Lohse: „Will der Nationalpark jetzt sagen: War alles gar nicht so schlimm?“
Für den Kreisbrandmeister sei jetzt entscheidend, ruhig und besonnen weiter daran zu arbeiten, den Nationalpark für alle Beteiligten sicherer zu machen. „Parteipolitik oder der Streit um Kommastellen bei der Flächenberechnung bringen uns da nicht weiter“, so Lohse. Zumal mehr oder weniger Hektar an der Größe und Gefährlichkeit solcher Einsätze nichts ändern würden.
Kritik an Nationalpark-Chef: „Wie ein Kolonialoffizier in Kaiserlich-Schwarzafrika“
Dass der Ton in den Auseinandersetzungen rund um den Nationalpark immer rauer wird, zeigte sich am Freitag auch am Rande der Agrarministerkonferenz in Quedlinburg. Dort kam es zu einer persönlichen Attacke auf den Nationalparkchef Roland Pietsch. Der Präsident des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt, Franz Prinz zu Salm-Salm, warf diesem vor, er trete auf „wie ein Kolonialoffizier in Kaiserlich-Schwarzafrika“.
Rund 150 Landwirte applaudierten der Rede auf dem Quedlinburger Marktplatz. Salm-Salm kritisierte zuletzt scharf den Umgang des Nationalparks mit Totholz. Dieses wird im Schutzgebiet im Wald belassen, was für Kritiker wie Salm-Salm zu einer erhöhten Feuergefahr führt.