Digital vernetzt und radikalisiert Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz warnt vor jungen und gewaltbereiten Neonazi-Gruppen
Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz beobachtet mehr Extremisten als je zuvor. Ein Grund: besonders junge und gewaltbereite Neonazi-Gruppen. Wie der Inlandsgeheimdienst auf die neue Entwicklung reagiert.

Magdeburg/MZ - Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz beobachtet mehr Extremisten als je zuvor. Das geht aus dem neuen Bericht des Inlandsgeheimdienstes für 2024 hervor, den Landesinnenministerin Tamara Zieschang (CDU) am Dienstag vorgestellt hat.
Demnach sind aktuell 6.120 Extremisten im Fokus des Verfassungsschutzes, im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um elf Prozent. Der Zuwachs geht laut Behörde auf das Erstarken der rechtsextremen Szene zurück. Sie stellt mit 4.000 Mitgliedern laut Zieschang die „größte Bedrohung für unser demokratisches Zusammenleben“ dar.
Die Szene wachse nicht nur durch Eintritte in die als rechtsextrem eingestufte AfD, die laut Behörden rund 2.580 Mitglieder hat. „Mit Sorge blicke ich auf den Zuwachs gewaltaffiner rechtsextremistischer Jugendgruppen“, sagte Zieschang. Solche Kleingruppen seien bundesweit aktiv. „Der Rechtsextremismus wird jünger und digitaler“, sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch.
Brutaler Überfall von Neonazis auf SPD-Mitglieder in Berlin
Seit 2024 beobachte der Landesverfassungsschutz in einigen Regionen Sachsen-Anhalts die Bildung von lose organisierten, teils gewaltbereiten Kleingruppen – es handele sich um digital vernetzte junge Menschen, oft Jugendliche. Die Gruppen würden unter Namen wie „Jung & Stark“ oder „Deutsche Jugend Voran“ auftreten. Zieschang nannte die Entwicklung „beunruhigend“. Der Landesverfassungsschutz habe aus diesem Grund bereits eine eigene Arbeitsgruppe gegründet.
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Als Beispiel für das Agieren junger Rechtsextremisten nannte Zieschang einen brutalen Überfall in Berlin im vergangenen Dezember: Vier Neonazis aus Sachsen-Anhalt hatten zwei SPD-Wahlkämpfer angegriffen, die sie zufällig auf der Straße getroffen hatte. Die vor Tagen verurteilten Täter sind zwischen 17 und 20 Jahren alt. Einer der Verurteilten soll ein am Boden liegendes Opfer mit Springerstiefeln gegen Kopf und Rumpf getreten haben.
Verfassungsschutz gründet neue Arbeitsgruppe wegen Jugendgruppen
„Der Verfassungsschutz sieht hier einen Schwerpunkt seiner Arbeit“, sagte Behördenchef Jochen Hollmann am Dienstag mit Blick auf die neuen Jugendgruppen. Der Verfassungsschutz berate auf Anfrage auch Schulen und Lehrerkollegien. Hollmann forderte außerdem Sachsen-Anhalter auf, Polizei und Verfassungsschutz zu informieren, wenn sie neue Gruppierungen wahrnehmen würden – „damit wir da etwas tiefer einsteigen können“, so der Behördenchef. Zieschang kündigte an, weitere Schritte zur Extremismus-Prävention zu prüfen, etwa an Schulen.
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Laut Verfassungsschutz nutzen auch linksextreme und islamistische Organisationen verstärkt digitale Medien, um Anhänger zu rekrutieren und zu radikalisieren. Allerdings sieht die Behörde aktuell kein Anwachsen dieser Szenen. Wie im Vorjahr beobachtete der Verfassungsschutz 2024 rund 680 Linksextremisten und 400 Islamisten im Bundesland. Das „islamistisch-terroristische Personenpotenzial“ lag laut Behörde im mittleren zweistelligen Bereich. Es gebe eine ernstzunehmende Gefahr durch dschihadistische Täter, so Hollmann. Die Behörde habe diese Personen besonders im Blick.