Ärztemangel im Knast Sachsen-Anhalt: Zu wenig Mediziner und Psychologen für Häftlinge im Land

Halle (Saale)/Burg - Wenn einer der 598 Gefangenen der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Burg zum Gefängnisarzt möchte, dann gibt es ein Problem - die Stelle ist nicht besetzt. Und das bereits seit neun Jahren.
Ersatzweise kommt ein Arzt auf Honorarbasis oder einer seiner drei Stellvertreter in die Anstalt. „Hier macht sich der Ärztemangel als gesamtgesellschaftliches Problem bemerkbar“, sagte Anstaltsleiterin Ulrike Hagemann.
Behandlung für Häftlinge in Sachsen-Anhalt: Standard wie bei den Krankenkassen
Dabei sieht das Landesrecht eigentlich eine medizinische Grundversorgung im Vollzug durch angestellte Ärzte vor. Diese muss dem Standard entsprechen, der auch bei den gesetzlichen Krankenversicherungen gilt. Die Kosten dafür, im Jahr 2018 waren es mehr als 6,6 Millionen Euro, werden vom Land übernommen.
Die JVA Burg im Jerichower Land ist dabei kein Einzelfall. Landesweit war Ende Juni jede vierte Stelle für Ärzte und Psychologen in Gefängnissen nicht besetzt. Insgesamt stehen 41 Stellen im Plan. Das geht aus der Antwort des Justizministeriums auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Eva von Angern (Linke) hervor. Auffällig dabei: In den drei JVAs und der Jugendanstalt in Raßnitz (Saalekreis) fehlte zu diesem Zeitpunkt jeweils auch mindestens ein Psychologe.
Ein Umstand, der von Angern vor allem auch in der Perspektive Sorgen macht. „Wenn die Stellen nicht ausreichend besetzt sind, sehe ich den Auftrag der Resozialisierung gefährdet.“ Denn Gefängnis-Psychologen sollen mit den Gefangenen deren Taten aufarbeiten und mit ihnen Strategien entwickeln, um später in Freiheit einen Rückfall zu vermeiden. „Die hohe Fluktuation der Angestellten macht die Situation noch prekärer“, betonte von Angern.
Häufige Wechsel beim Personal bestätigte auch die JVA-Leiterin in Burg. „Wir merken, wie der Markt dünner geworden ist“, sagte Ulrike Hagemann. Einige Psychologen sähen im Gefängnis nur eine Übergangsstation und verließen die Anstalt wieder, um sich etwa zum Psychotherapeuten weiterzubilden und eine eigene Praxis zu eröffnen, die obendrein lukrativer sei.
Doch nicht nur Sachsen-Anhalt hat Probleme, genügend medizinisches und psychologisches Personal für die Gefängnisse zu finden. Das Problem gebe es bundesweit, erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft Strafvollzug, René Müller. „Die medizinische Versorgung wird geleistet. Die Bemühungen könnten aber intensiver sein“, kritisierte er.
Erschwerend komme hinzu, dass potenzielle Bewerber oft das zum Teil schwierige Klientel abschrecke, zu dem Alkohol- oder Drogenabhängige gehörten. „Warum soll ich mir das antun, wenn ich es im Krankenhaus leichter habe“, erklärte Müller. Letztlich, so der Gewerkschafter, könne das Personalproblem nur durch eine bessere Bezahlung gelöst werden. Und dafür gebe es durchaus Spielräume. Denn auf Dauer seien die eingesetzten Honorarkräfte für das Land teurer als ein fest angestellter Arzt.
Mediziner und Psychologen für Haftanstalten: Bedarf auch in Halle
Das Justizministerium kann sich bessere finanzielle Anreize aber nur vorstellen, wenn die Suche nach Personal erfolglos bleibt. Das Problem wird jedoch nicht kleiner. So müssen ab 2020 auch mehrere Stellen in Halle besetzt werden. Das Ministerium glaubt aber, wegen der Rahmenbedingungen geeignete Kandidaten zu finden. „Den Interessenten wird eine Verbeamtung in Aussicht gestellt und familienfreundliche Arbeitszeiten ohne Schichtdienst ermöglicht“, hieß es. (mz)