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Vergütungen sollen angehoben werden Sachsen-Anhalt: Physiotherapeuten sauer auf die AOK

Von Bärbel Böttcher 30.06.2018, 08:00

Halle (Saale) - Die AOK Sachsen-Anhalt will die Vergütung der Physiotherapiepraxen ab sofort „um mehr als 30 Prozent“ anheben. Das sieht ein Kompromissvorschlag vor, den die Kasse am Freitag den Berufsverbänden vorgelegt hat. Vorausgegangen waren monatelange Verhandlungen.

„Nehmen die Berufsverbände den aktuellen Vorschlag an, gehört die AOK zu den Spitzenzahlern unter den Krankenkassen in Sachsen-Anhalt“, sagte Anna-Kristina Mahler, Sprecherin der Kasse. Sie würde sich dann auf dem Niveau der Vergütungen bewegen, die die Ersatzkassen zahlen. Bei ihnen können die Therapeuten beispielsweise für eine manuelle Therapie, die der Wiederherstellung der Beweglichkeit dient, seit April dieses Jahres 22 Euro abrechnen. Von der AOK Sachsen-Anhalt erhalten sie bisher 16,84 Euro.

Physiotherapeuten in Sachsen-Anhalt: Mangel an Fachkräften

Die Berufsverbände hatten beklagt, dass die AOK Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich den Therapeuten die Behandlungen am schlechtesten vergüte. Das verschärfe den Fachkräftemangel, denn gut ausgebildete Therapeuten wanderten in andere Regionen Deutschlands oder gar ins Ausland ab, weil sie dort besser verdienten.

Ist diese Kritik damit vom Tisch? Davon kann keine Rede sein. Die Verbände - IFK, VPT, VDB-Physiotherapieverband und Physio Deutschland - reagierten empört auf den Vorschlag der AOK, der deutlich von einen „in der vorigen Woche getroffenen Konsens abweicht“, wie es in einer gemeinsamen Erklärung heißt.

„Der nach äußerst schwierigen und langwierigen Verhandlungen unter Moderation der Schiedsperson zunächst vereinbarte Vergleich, der die Preise bis zum Jahr 2019 um insgesamt rund 47,8 Prozent erhöhen sollte, tritt damit nicht in Kraft“, betonen sie.

Dass die Kasse trotz der nachweislich höchst dramatischen Situation der Physiotherapie diesen Konsens widerrufe, sei unerträglich. Damit bringe die AOK weiterhin der Arbeit der Physiotherapeuten im Land keinerlei Wertschätzung entgegen und trage dazu bei, dass sich die betriebswirtschaftlichen Probleme vieler Praxen verfestigten.

Ebenso bestehe durch das Handeln der AOK auf absehbare Zeit keine Chance für eine höhere Angestelltenvergütung, heißt es weiter. Im Vorfeld hatten die Therapeuten erklärt, dass die Praxisinhaber gern mehr zahlen würden, das aber wegen der niedrigen Vergütungen der AOK nicht möglich sei.

Die physiotherapeutischen Berufsverbände halten im Übrigen selbst die im ursprünglichen Konsens vorgesehene Erhöhung nicht für ausreichend, um die Probleme des Fachkräftemangels und der unzureichenden Vergütung der Praxisinhaber nachhaltig zu beseitigen. „Es wäre aber ein sehr wichtiger erster Schritt in diese Richtung gewesen, den die AOK leider nicht bereit ist mitzugehen“, betonen sie. „Die Gewährleistung der Versorgung der Versicherten mit physiotherapeutischen Leistungen scheint daher ganz offensichtlich nicht im Interesse der AOK zu sein.“

Weitergehende Forderungen lehnt die Kasse aber gerade mit Hinweis auf die Patienten ab. „Allein bei der AOK Sachsen-Anhalt sind über 674.000 Versicherte zuzahlungspflichtig“, sagt Mahler. Diese müssten deutlich höhere Zuzahlungen in Kauf nehmen. Denn laut Gesetz müssten sie sich an den Behandlungskosten, also den Preisen, welche die Krankenkasse den Praxen zahle, mit zehn Prozent beteiligen.

AOK fordert mehr Transparenz von Physiotherapiepraxen

Zukünftige Erhöhungen knüpft die AOK übrigens an verbindliche Zusagen der Berufsverbände. Sie fordert, dass Preissteigerungen bei den Angestellten der Physiotherapiepraxen ankommen. Bislang, so Sprecherin Mahler, wehrten sich die Berufsverbände, gegen diese vom Gesetzgeber vorgeschriebene Transparenzregel. AOK-Chef Ralf Dralle hatte in einen früheren Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung Zweifel angemeldet, dass bisherige Erhöhungen tatsächlich an der Basis angekommen seien. (mz)